Von Wladislaw Sankin
Usbekistan ist mit 36 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste Land Zentralasiens mit jährlich 5 bis 7 Prozent BIP-Wachstum, einem vergleichsweise guten Bildungssystem, einem starken staatlichen Sektor in Industrie und Energiegewinnung und wichtigen Rohstoffvorkommen. Manche bezeichnen es sogar als den "nächsten asiatischen Tiger". Das Land hat zwar keine gemeinsame Grenze mit Russland, aber die Verbundenheit der beiden Länder ist sehr stark.
Besuchern der russischen Hauptstadt fallen vor allem viele usbekische Gastronomiebetriebe ins Auge. In den Verzeichnissen sind 732 dieser Betriebe gelistet. Unter den Nationalküchen der postsowjetischen Länder belegt Usbekistan nach Georgien den sicheren zweiten Platz, wobei manche Gerichte seit der Sowjetzeit den Kultstatus genießen, wie etwa Lagman oder Pilaw. In Russland sind offiziell bis zu 1,5 Millionen Gastarbeiter aus Usbekistan tätig und das Land wird für Russen wieder ein populäres touristisches Ziel.
Nach der Eskalation des westlichen Sanktionskrieges gegen Russland im Jahre 2022 gewinnt Usbekistan an Bedeutung für Russland – Russland weitet seine Energiepartnerschaft mit der zentralasiatischen Republik stark aus, investiert in zweistelliger Milliardenhöhe, fördert, liefert, baut. Gebaut werden z. B. kleinere Atomkraftwerke und eine Gas-Pipeline sowie Produktionsanlagen mit russischer Beteiligung.
Zudem unterstützt Usbekistan Russland auf international-diplomatischer Ebene und bei der Umgehung der Sanktionen. Zwar ist Usbekistan kein Mitglied in den Bündnissen EAWU und OVKS, nähert sich ihnen aber kontinuierlich an. Die russische Sprache wird in Usbekistan weiterhin gelernt und es gibt Standorte von einem Dutzend russischer Universitäten. Auch für Moskau wichtig – Usbekistan rüttelt nicht am Gedenken des Großen Vaterländischen Krieges, an dem zwei Millionen Kämpfer aus Usbekistan beteiligt waren.
Die gegenseitige Zuneigung, die die beiden Staatsoberhäupter Wladimir Putin und Schawkat Mirsijojew bei ihren gemeinsamen Veranstaltungen am Montag zeigten, war offenbar nicht gespielt, im Gegenteil. Besonders eindrucksvoll war die erste Sitzung des Rates der Regionen beider Länder. An dem Treffen nahmen die Leiter von fast 30 Regionen Russlands und 300 Vertreter führender Industrieunternehmen und Betriebe teil. Auch in Russland gibt es viele turksprachige und muslimisch geprägte Völker, was den Kontakten auch das Gefühl der kulturellen Verwandtschaft gibt.
Es gibt aber Zaungäste, denen diese Szenen keine Freude bereitet – sie sitzen in Washington, Berlin, Brüssel und London. Sie wollen den Einfluss Russlands und Chinas in dieser Region eindämmen und russische diplomatische Manöver in dieser Region unterbinden. Gelegenheit dazu bieten die Länder Zentralasiens selbst: Die meisten von ihnen praktizieren die sog. multivektorale Politik, d. h. sie bleiben im geopolitischen Sinne für alle Seiten offen. Für sie schließt eine Zusammenarbeit mit Russland, Partnerschaften mit westlichen Staaten und Bündnissen nicht aus.
So treffen sich die Staatschefs und Diplomaten der fünf zentralasiatischen Länder Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan, Kirgisistan und Tadschikistan seit einigen Jahren im Format 5 Plus 1 mit Vertretern des Westens. In den letzten Monaten fanden Treffen in Brüssel mit Josep Borrell und in Berlin mit Olaf Scholz statt, zudem gab es ein Treffen mit Joe Biden am Rande der UN-Generalversammlung und in diesem Jahr ist ein Treffen in diesem Format mit Großbritannien geplant.
Die Länder Zentralasiens kämen aus dem "Schatten" heraus und werden in der "schwierigen geopolitischen Lage" zu "Schlüsselpartnern" der Europäischen Union, verkündete Josep Borrell auf dem Transport- und Logistikforum für Zentralasien im Januar in Brüssel. Brüssel stellt ihnen den Ausbau eines Transportkorridors aus Zentralasien nach Europa über den Kaukasus in Aussicht – um Russland zu umgehen. Seit Februar 2022 sei dessen Umsetzung "dringlich" geworden. Auch läuft dieses Vorhaben dem chinesischen Mammutprojekt Seidenstraße zuwider. Die Kosten werden auf 10 Mrd. Euro beziffert, die ersten knapp 3 Milliarden könnten die Länder bei der Europäischen Investitionsbank und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung beantragen.
Beim Gipfeltreffen mit Scholz im September letzten Jahres gab es ähnliche Töne. Berlin machte keinen Hehl daraus, dass das Treffen mit der Einführung des 13. Sanktionspakets zu tun hatte, bei dem es hauptsächlich darum ging, die Sekundärsanktionen zu unterbinden, was im Klartext heißt, dass diesen Ländern für Handel und Finanztransaktionen mit Russland gedroht wurde. Den deutschen Gastgebern gelang es sogar dem kasachischen Präsidenten Kassym-Schomart Tokajew das Versprechen über die "restlose Einhaltung der Sanktionen" zu entlocken.
Dieses Versprechen hinderte Kasachstan jedoch nicht daran, seitdem mehrfach nach Moskau zu reisen und wirtschaftliche und sonstige Beziehungen zu Russland zu intensivieren. Inzwischen haben die Länder Zentralasiens genug Erfahrungen mit der westlichen Diplomatie des Drucks und der Drohungen gesammelt und sind imstande, zwischen den geopolitischen Machtzentren geschickt zu lavieren.
"Heute hätten sowohl die Völker als auch die Führer der Mitgliedsstaaten der Eurasischen Wirtschaftsunion erkannt, dass die Teilnahme an den Integrationsprozessen der EAWU und des eurasischen Raums insgesamt den nationalen Interessen der Mitgliedsstaaten entspricht", sagt der kirgisische Botschafter in Russland Alikbek Dscheschenkulow, erfahrener Diplomat, der sein Land zuvor mehrere Jahre bei OSZE und in Österreich vertreten hatte. Für die westliche Politik hat er kein Verständnis mehr.
Der Westen habe in einem Vierteljahrhundert nichts unternommen, um die Länder Zentralasiens besser kennenzulernen und zu verstehen, "geändert hat sich nur dessen Aktivität in Richtung Aggression und Aufzwingen seiner Politik". Es falle ihm immer schwerer, "die westlichen Politiker zu verstehen, die alles tun, um die multipolare Welt zu verwirklichen, obwohl sie das Gegenteil behaupten". Es seien ihre eigenen Sanktionen, die die Autorität des Dollars und das Vertrauen in ihn untergraben.
Eine der Folgen dieser Politik: Russland und die Staaten Zentralasiens koppeln sich aktiv in ihrem Handel untereinander vom Dollar ab und gehen zu nationalen Währungen über. Am Montag gab Putin in Taschkent bekannt, dass der Anteil des Rubels an den Handelsgeschäften zwischen Russland und Usbekistan im letzten Jahre 58 Prozent erreicht hat.
Teile und herrsche – diese uralte Maxime der Politik tritt in der westlichen Politik immer unverhohlener zum Vorschein. Die hohlen Phrasen der "Werte-Rhetorik" können den geopolitischen Zynismus, den der Westen in seiner Spaltungsstrategie überall auf der Welt an den Tag legt, kaum noch verschleiern. Der Kälte und Unbeholfenheit, die bei den Empfängen in Washington, Brüssel und Berlin ganz augenscheinlich zum Vorschein kommen, stehen Wärme und Aufrichtigkeit gegenüber, die die bilateralen Kontakte mit Russland und anderen Partnern in Eurasien auszeichnen. Der "historische" Besuch des russischen Präsidenten in Taschkent, wie Schawkat Mirsijojew es in seiner Rede am Montag zu sagen pflegte, ist ein weiterer Beweis für diesen Unterschied.
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