In Vietnam ist der bisherige Minister für öffentliche Sicherheit als neuer Staatspräsident vereidigt worden. Die Nationalversammlung wählte das 66-jährige Politbüromitglied Tô Lâm zum Nachfolger von Võ Văn Thưởng, der im März im Zuge eines Korruptionsskandals zurückgetreten war. Das Zentralkomitee der regierenden Kommunistischen Partei Vietnams (KPV) hatte Tô Lâm schon am Wochenende als einzigen Kandidaten für das Amt präsentiert.
Damit hat Vietnam nun schon zum dritten Mal innerhalb von nur drei Jahren ein neues Staatsoberhaupt – eine ungewohnte Situation in Vietnam, das sonst für seine politische Stabilität bekannt ist. Faktisch wurde Thưởngs Rücktritt nach nur einem Jahr im Amt von der Kommunistischen Partei forciert. Auch sein Vorgänger war nach Korruptionsvorwürfen zurückgetreten.
In der Sozialistischen Republik Vietnam (SRV) gilt der Staatspräsident als zweite Person im politischen System des Landes nach dem Generalsekretär der Kommunistischen Partei Vietnams, dessen Führungsrolle in der Verfassung verankert ist. Das Staatsoberhaupt wird von der Nationalversammlung (Parlament) aus den Reihen ihrer Abgeordneten gewählt. Die Befugnisse des Präsidenten der SRV sind typisch für Staatsoberhäupter mit einer parlamentarischen Regierungsform.
Tô Lâm wurde am 10. Juli 1957 in der nordvietnamesischen Provinz Hung Yen geboren (1976 wurden Nord- und Südvietnam zur Sozialistischen Republik Vietnam zusammengeschlossen). Von 1974 bis 1979 studierte er an der Akademie für Volkssicherheit. Seit 1979 hat er in verschiedenen Positionen in Abteilungen und Referaten des Ministeriums für öffentliche Sicherheit Vietnams gearbeitet. Von 2010 bis 2016 war er stellvertretender Leiter dieses Ministeriums, 2016 wurde er Leiter des Ministeriums. Im Jahr 2011 wurde Tô Lâm Mitglied des Zentralkomitees der KPV. Er hat den Rang eines Generals.
Seit Jahren befindet sich Vietnam im Kreuzfeuer der regionalen Geopolitik. Das südostasiatische Land mit 100 Millionen Einwohnern ist das Ziel der Bemühungen vonseiten der USA und Japans, es in eine Antichina-Koalition einzubinden, um Chinas Bemühungen um den Anschluss Taiwans und die Vorherrschaft im Südchinesischen Meer zu untergraben, so Russlands China-Experte Nikolai Wawilow. Ihm zufolge sei der häufige Wechsel der Staatspräsidenten in den vergangenen drei Jahren ein Zeichen der schweren innenpolitischen Krise und des Kampfes zwischen prochinesischen und proamerikanischen Einflussgruppen in der vietnamesischen Politik. Mit der Wahl von Tô Lâm zum Staatspräsidenten hätten die antiamerikanischen Kräfte die Oberhand gewonnen.
Im Juni wird der russische Präsident Wladimir Putin in Vietnam mit einem Besuch erwartet. Das teilte der russische Botschafter in Vietnam mit. Die Einladung erhielt Putin vom Generalsekretär des Zentralkomitees der KPV Nguyễn Phú Trọng während eines Telefonats zwischen beiden im März.
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