Von Timur Fomenko
Die Philippinen sind seit 1951 ein Partner der Vereinigten Staaten von Amerika, fast so lange, wie das Land unabhängig ist. Zuvor waren die Philippinen eine Kolonie der USA, weil sie den Inselstaat in einem Krieg gegen Spanien als Kriegsbeute gewonnen hatte. Aus diesem Grund ist es schwierig, die Philippinen als etwas anderes als eine unverhohlene USA-freundliche Nation zu bezeichnen.
In den vergangenen Jahren wurde dort jedoch ein anderer Weg eingeschlagen. Unter der Präsidentschaft des sehr direkten und offenen Rodrigo Duterte wurde der Archipel in seinen außenpolitischen Angelegenheiten geopolitisch flexibler und strebte engere Beziehungen zu Russland und zu China an, verhielt sich aber dennoch gegenüber den USA freundlich gesinnt.
Diese ungewöhnliche "Absicherung" war Teil der Strategie von Duterte, einen stärker zentralisierten Ansatz bei der Regierungsführung des Landes zu verfolgen, das unter einem hohen Maß an Armut, Kriminalität und Unordnung leidet. Duterte war ein Hardliner und sah auch wirtschaftliche Chancen in der Annäherung an Peking, trotz der Zwistigkeiten über umstrittene Gebiete im Südchinesischen Meer. In dieser Zeit begann sein Verhältnis zu zur Regierung in Washington zu leiden, da die USA trotz ihrer postkolonialen "Oberherrschaft" faktisch nichts Positives zur Entwicklung des Landes beitrugen. Stattdessen entschied sich Duterte für die Beteiligung an der chinesischen Belt-and-Road-Initiative und versuchte, die Wirtschaft des Inselstaats mit chinesischen Investitionen anzukurbeln.
Doch nur etwa ein Jahr nach dem Abgang von Duterte hat die Rückkehr der Marcos-Dynastie an die Macht dazu geführt, dass man in Manila de facto eine Wende "um 180 Grad" in der Außenpolitik vollzog und sich von einem Partner Chinas zu einem Widersacher Chinas wandelte, nunmehr erneut zugunsten der USA. Ferdinand Marcos Junior, auch bekannt unter dem Spitznamen "Bongbong", ist der Sohn von Ferdinand Marcos, der die Philippinen von Mitte der 1960er bis Mitte der 1980er Jahre als rechtskonservativer und antikommunistischer Diktator regierte. Die Familie ist berüchtigt für ihre Korruption und den Diebstahl von Staatsvermögen zum eigenen Vorteil, kam aber gerade deshalb ungeschoren davon, weil sie eindeutig proamerikanisch eingestellt war. Schon während des Kalten Krieges unterstützte die Regierung in Washington, D.C. politische Persönlichkeiten jeglicher Couleur und Brutalität unter der Bedingung, dass sie antikommunistisch waren.
Auch "Bongbong" ist – wie sein Vater – kein unbeschriebenes Blatt mehr und wurde trotzdem, wenn auch als kompromittierter Mann, zum Präsidenten der Philippinen gewählt, der sich damit jetzt der Gnade der USA ausgeliefert sieht. Ironischerweise droht ihm sogar in den USA eine strafrechtliche Verfolgung, nachdem ein Gerichtsbeschluss von ihm verlangt hatte, 353 Millionen US-Dollar als Reparationen an die Opfer des Regimes seines Vaters zu zahlen. Was bedeutet dies politisch? Das ist vor allem ein Hebel zugunsten Washingtons. Bemerkenswert ist, dass die US- Behörden aus diplomatischen Gründen wenig tun, um dieses Urteil durchzusetzen oder Vermögenswerte von Marcos oder dessen ganzer Familie zu beschlagnahmen. Was ist die Gegenleistung? Auch die ist ziemlich klar: Solange Marcos Jr. die Außenpolitik der Philippinen dahin steuert, wohin sie die USA gern haben wollen, wird man in Washington wegschauen, wenn es um den besagten Gerichtsbeschluss gegen den Marcos-Clan geht.
Es ist daher absolut keine Überraschung, dass Marcos Jr. mit seinem Amtsantritt eine Kehrtwende in der Haltung des Landes gegenüber China einleitete und die Spannungen mit der Volksrepublik dramatisch eskalieren ließ. Während die Regierung von Duterte versuchte, die Angelegenheit im Streit um Gebiete im Südchinesischen Meer auf kleiner Flamme zu halten, hat Marcos Jr. umgehend und gezielt China verärgert, diplomatische Grenzen überschritten und die internationale Aufmerksamkeit auf die Streitigkeiten gelenkt. Das unterstützten die USA mit der Ankündigung, sie würden die Philippinen im Falle eines Konflikts verteidigen. Aus demselben Grund haben Dutzende hochrangige US-Staatsbeamte die Philippinen im Rahmen einer umfassenden Charme-Offensive besucht.
Aber nicht nur das: Marcos Jr. hat der Erhöhung der Anzahl von militärischen US-Stützpunkten auf den Philippinen zugestimmt, gratulierte demonstrativ dem neugewählten Präsidenten Taiwans und schraubte Manilas Teilnahme an der chinesischen Belt and Road-Initiative stark zurück, indem er eine Reihe von Projekten abgesagt hat. Stattdessen suchte er nach vertieften Beziehungen zu Japan als Alternative zu China, wofür die USA, Japan und die Philippinen erstmals ein trilaterales Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs abhalten werden. Kurz gesagt: Die Philippinen haben sich von einem chinafreundlichen Staat in Südostasien kurzerhand zu einem der härtesten Widersacher China gewandelt, was für das Land selbst aufgrund seiner relativen wirtschaftlichen Schwäche und seiner Abhängigkeit vom Handel mit China problematisch ist.
China bereitet diese Situation Kopfschmerzen, denn es gibt keine einfachen Antworten darauf. Das liegt daran, weil Peking zum Südchinesischen Meer eine entschlossene und kompromisslose Position einnimmt und den größten Teil davon für sich beansprucht. Die Hartnäckigkeit in dieser Haltung kollidiert nicht nur mit anderen südostasiatischen Staaten, sondern bildet auch einen politischen Keil, den die USA leicht ausnutzen können. China könnte es als Schwäche ausgelegt werden, wenn es in der Sache nachgibt. Die US-Politik besteht natürlich darin, so viele Länder wie möglich zu einem aktiven Widerstand gegen Peking zu motivieren und ihnen im Gegenzug militärische Unterstützung anzubieten.
Wie kann China also seine Beziehungen zu den Philippinen verbessern? Es muss möglicherweise einfach vermeiden, eine Krise auszulösen, und darauf warten, dass wieder ein Präsident ins Amt gewählt wird, der Peking gegenüber freundlich eingestellt ist, weil es wohl ziemlich klar ist, dass Marcos Jr. ein kompromittierter Politiker ist und man somit in Washington diese Schwäche und das katastrophale Erbe seiner Familie zum eigenen Vorteil ausnutzen wird.
Übersetzt aus dem Englischen. Timur Fomenko ist ein politischer Analyst.
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