Mitte Februar, einen Monat nach den taiwanesischen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen, unterzeichneten Indien und Taiwan ein Memorandum of Understanding (MoU) über Migration und Mobilität, das für Schlagzeilen sorgte und das Zeug zu einem diplomatischen Eklat zwischen Neu-Delhi und Peking hatte. Die neue Vereinbarung ermöglicht unter anderem indischen Arbeitnehmern, auf der abtrünnigen Insel eine Beschäftigung zu suchen, auf der derzeit in Bereichen wie Fertigung, Baugewerbe und Landwirtschaft ein Arbeitskräftemangel herrscht. Doch das Potenzial für einen intensiveren Austausch zwischen Indien und Taiwan hatte China bereits verunsichert. Das berichtete The Diplomat.
Letztes Jahr, nachdem ein Bericht einige Details über die mögliche Anwerbung von bis zu 100.000 indischen Arbeitskräften durch Taiwan veröffentlicht hatte, löste die Meldung eine Welle medialer Angriffe gegen die taiwanesische Regierung aus. Taiwans Arbeitsminister Hsu Ming-chun beschuldigte die Chinesen der Einmischung und bezeichnete die Beiträge in den sozialen Medien als eine Form der hybriden Kriegsführung.
Die Tatsache, dass die Absichtserklärung erst unterzeichnet wurde, nachdem Lai Ching-te, der Kandidat der regierenden Demokratischen Fortschrittspartei (DPP), die Präsidentschaftswahlen in Taiwan 2024 gewonnen hatte, zeigt, dass der dritte Sieg der DPP in Folge die Absicht Indiens und Taiwans gestärkt hat, ihrer weiteren strategischen Zusammenarbeit einen Impuls zu geben. Umgekehrt wird dies auch die Eskalation mit Peking verschärfen. Indien und Taiwan werden damit rechnen müssen, dass China Maßnahmen und irreführende Mittel, einschließlich Einschüchterungstaktiken, einsetzen werde, um "konstruktive Mechanismen" zu stören, kommentierte The Diplomat. Indiens Vertreter in Taiwan, Manharsinh Laxmanbhai Yadav, gratulierte unlängst Taiwans neu gewählten politischen Anführern nach den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen vom 13. Januar. Die Botschaft war bereits eine Ohrfeige für China.
Angesichts der wachsenden bilateralen Beziehungen und der anhaltenden Spannungen in der maritimen Arena des indopazifischen Raums, einschließlich der Meerenge von Taiwan, der Region des Indischen Ozeans (IOR) und des Südchinesischen Meeres, ist es von entscheidender Bedeutung, Indiens Entwicklung in Bezug auf die Taiwanfrage zu beobachten. Kann Indiens Taiwan-Politik seine regionale Strategie mit gleich gesinnten Partnern, einschließlich der Anrainerstaaten des Südchinesischen Meeres, ergänzen, um China entgegenzutreten?
Was das Südchinesische Meer betrifft, so werden über 55 Prozent des indischen Handels über diese Wasserstraße abgewickelt. Daher hat Indien die strategische Zusammenarbeit mit den Anrainerstaaten unter anderem in den Bereichen Öl, Gas und Verteidigung verstärkt. Zudem hat Indien seinen Standpunkt gegenüber China zu Territorialkonflikten im Südchinesischen Meer bekräftigt.
Es ist unrealistisch, über eine friedliche Vereinigung zwischen Taiwan und dem chinesischen Festland zu sprechen, denn selbst die Möglichkeit solcher Gespräche ist mit der DPP-Regierung an der Macht unwahrscheinlich.
Im Falle eines gewaltsamen Wiedervereinigungsversuchs durch China wäre die Reaktion Indiens begrenzt. Da Indien kein Verbündeter Washingtons in dieser Region ist, wäre es nicht verpflichtet, einen militärischen Gegenangriff zu unterstützen. Aber sicherlich werde Chinas Rolle als Indiens rivalisierender Nachbar, der die feindselige Grenzsituation ständig auslöst, ein Faktor für Neu-Delhis Vorgehen sein, so The Diplomat. China werde auch im Indischen Ozean zu einer größeren, selbstbewussteren "Bedrohung" werden, wenn Peking sich bei seinem Streben nach einer Vereinigung Taiwans durchsetzen könnte. Neu-Delhi werde daher den Vereinigten Staaten und ihren Verbündeten gegenüber nicht so gleichgültig agieren wie während des Krieges zwischen Russland und der Ukraine, der für Indien keine direkten Folgen hat, resümierte The Diplomat.
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