Von Dmitri Kossyrew
"Was ist schon dabei, jedes Unternehmen muss sich gelegentlich Inspektionen unterziehen, die den Gesetzen entsprechen", erklärten Experten in Peking und versuchten dabei unschuldig auszusehen. Und warum nicht auch gleich die zahlreichen Niederlassungen des taiwanesischen Unternehmens Foxconn in mehreren chinesischen Provinzen überprüfen? Dieses Unternehmen ist unter anderem dafür bekannt, dass es Geräte der US-amerikanischen Marke Apple zusammenbaut. Ja, die Taiwaner arbeiten auf chinesischem Territorium.
Aber nicht jedes taiwanesische Unternehmen, das in China präsent ist, wird von einem Mann geleitet, der von sich behauptet, für das Präsidentenamt in Taiwan zu kandidieren. Dieser Mann – Terry Gou – geht als unabhängiger Kandidat in die Wahl. Und die Inspektionen seines Unternehmens auf dem Territorium Chinas (die übrigens erfolgreich und ohne Probleme verliefen) sind wie ein Aufschrei aus Peking: "Wo kommt denn plötzlich noch ein Kandidat her – alles ist doch ohnehin schon äußerst verworren! Man muss ihn bremsen!"
Der Countdown für die Wahlen läuft bereits – sie finden am 13. Januar statt. Was die Verwirrung im Vorfeld der Wahlen betrifft, so stehen wir vor einem Fall, der die Insel nicht einmal in eine Ukraine verwandelt, sondern in etwas völlig Unvorstellbares. In der Schwebe der Unverständlichkeit, mit einer völlig verwirrten Wählerschaft und völliger Ungewissheit über die Zukunft.
Die Vereinigten Staaten haben nämlich bisher nicht entschieden, was für einen taiwanesischen Präsidenten sie benötigen und welche Rolle die Insel in der Weltpolitik in naher und ferner Zukunft spielen soll. Das war übrigens auch bei der Ukraine der Fall – in früheren Phasen jedenfalls, bis man beschloss, sie doch zu verheizen.
Wie einfach es doch wäre, wenn ein Kandidat rein proamerikanisch und ein anderer ein hundertprozentiger Feind, also prochinesisch wäre. Doch zunächst einmal gibt es sozusagen zwei Amerikas, das der Demokraten und das der Republikaner. Es bleibt abzuwarten, wer in den Vereinigten Staaten in etwas mehr als einem Jahr gewählt werden wird, und welche Politik gegenüber China der neu gewählte US-Präsident verfolgen wird. Außerdem sind sich beide US-Parteien einig, dass China derzeit keine taiwanesische Ukraine zu haben braucht. Denn zur Ukraine als solcher ist der gesamte Nahe Osten hinzugekommen – für ein weiteres großes Problem gibt es einfach nicht mehr genug Kräfte. Die Taiwaner sollten also in Reserve gehalten und verheizt werden, sobald es für notwendig erachtet wird.
Und so sieht es in der Praxis aus. Es gibt einen Kandidaten der Demokratischen Fortschrittspartei, einem exakten Klon der Demokratischen Partei der USA. Sein Name ist William Lai und ihn traf ein bitteres Schicksal: US-Amerikaner verschiedener Parteien haben Lais übermäßigen Enthusiasmus für eine sofortige Erklärung der Unabhängigkeit Taiwans erfolgreich gebremst, indem sie diesen Mann an die kurze Leine legten.
Seine Umfragewerte sind übrigens stark gesunken, sie liegen zwischen 32 und 36 Prozent. Wie geht man mit so einer Situation um? Wie verwandelt man eine Minderheit in eine Mehrheit? Ganz einfach: Man spaltet die Opposition gegen den gewünschten Kandidaten und beraubt sie so eines sicheren Sieges. Es gibt zwei weitere Kandidaten mit sehr ähnlichen Programmen, einer liegt bei ungefähr 20 Prozent, der andere zwischen 17 und 27 Prozent. So ist das mit der Demokratie. Und dann gibt es noch einen dritten Oppositionskandidaten, ebenfalls mit einem ähnlichen Programm wie die ersten beiden – das ist eben jener Terry Gou, über den wir am Anfang gesprochen haben.
Bis vor Kurzem reisten sie alle in die Vereinigten Staaten, als ob sie dort ihren Arbeitsplatz hätten. Sie trafen sowohl mit Demokraten als auch mit Republikanern zusammen, wobei sie sich vorsichtig zwischen diesen Extremen bewegten. Und hier ist das Ergebnis. Lai wurde ruhiger, wiederholte den US-Amerikanern gegenüber mehrmals, dass er nicht die Absicht habe, die Unabhängigkeit der Insel zu erklären. Das heißt, dass er sich auf seine Konkurrenten zubewegt hat. Die Opponenten haben sich ebenfalls verlagert – sie sprechen nur noch von der Notwendigkeit, die Verteidigung der Insel zu stärken und sich dabei auf die USA zu verlassen. Gleichzeitig deuten Analysten in den Vereinigten Staaten darauf hin, dass die US-Amerikaner Lai immer noch als "ihren Mann" betrachten, nur müssten sie seine Äußerungen auf die richtige Weise polieren.
Bedeutet das, dass die Ukrainisierung Taiwans unter einem beliebigen Präsidenten unumkehrbar sein wird? Auf jeden Fall sind ihre Reisen in die Vereinigten Staaten nun vorbei, und die Kandidaten können sich endlich an ihre eigenen Wähler wenden. Und dies ist wahrscheinlich noch schwieriger, wenn man bedenkt, dass die Wahlen in zwei Runden abgehalten werden – erst in Übersee und danach im Inland. Stellen Sie sich jetzt vor, was die Wähler über all das denken sollen. Fällt Ihnen das schwer? Nun, für die Wähler wird es noch schwieriger sein.
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei RIA Nowosti am 24. Oktober 2023.
Dmitri Kossyrew ist ein russischer Journalist, Orientalist und politischer Analyst bei RIA Nowosti.
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