Die asiatische Kundschaft hat Russlands verlorene Ölexporte in die EU ersetzt und die Staaten Zentralasiens helfen dem Land, die Sanktionen zu umgehen. Dies schreibt die Hongkonger Online-Zeitung Asia Times. Die westlichen Sanktionen gegen "eine der zehn größten Volkswirtschaften der Welt" – eine beispiellose Kampagne –, wirkten zwar schädlich auf die russische Wirtschaft, hätten jedoch ihr Ziel bei weitem nicht erreicht, betont die Zeitung. In dem Artikel der Asia Times heißt es:
"Die Sanktionen in den Bereichen Finanzen, Energie, Technologie, Reisen, Schifffahrt, Luftfahrt und Rohstoffe richten sich gegen eine der zehn größten Volkswirtschaften der Welt. Dennoch ist der wirtschaftliche Druck auf Moskau keineswegs so hermetisch wie frühere Anti-Kriegs-Sanktionskampagnen, etwa die UN-Sanktionen gegen den Irak nach Saddam Husseins Invasion in Kuwait im Jahr 1990. Ein Jahr nach der Verhängung der Sanktionen sind mehrere Dinge klar: Die Sanktionen haben der russischen Wirtschaft und ihren künftigen Wachstumsaussichten geschadet. Aber sie haben weder den Zusammenbruch des Landes verursacht noch dazu beigetragen, den Krieg in der Ukraine zu beenden."
Anderthalb Jahre nach der Verhängung der harten Sanktionen zeichne sich ein neues Szenario und ein neues Kräfteverhältnis in der Weltwirtschaft ab, stellt der Autor des Artikels fest. Es sehe ganz danach aus, als beherrschten die USA und Europa die Weltwirtschaft nicht mehr.
"Der Schwerpunkt der Weltwirtschaft hat sich nach Osten verlagert."
Der Aufstieg der asiatischen Handelsmacht ermögliche nun eine Umlenkung des Handelsverkehrs, der die westlichen Sanktionen abschwäche. Wobei der Begriff "Aufstieg" in diesem Zusammenhang kein leeres Wort sei, denn:
"Im Jahr 2021 machten die asiatischen Volkswirtschaften 39 Prozent des weltweiten nominalen BIP aus und waren damit der größte kontinentale Block. Die asiatischen Exporte beliefen sich auf 36 Prozent der weltweiten Ausfuhren, während die fünf größten asiatischen Volkswirtschaften – China und Hongkong, Japan, Südkorea, Singapur und Indien – zusammen ein Viertel aller weltweiten Importe auf sich vereinten. Auf Asien entfallen heute drei Viertel, auf China und Indien sogar die Hälfte des weltweiten BIP-Wachstums im Jahresvergleich."
Die Sanktionskampagne gegen Russland habe die Folgen dieser "Verschiebung" noch verdeutlicht, so die Asia Times weiter.
Ursprünglich seien die westlichen Sanktionen als eine Art wirtschaftlicher "Schock und Verbreitung von Angst" gedacht gewesen. "Doch nach einer kurzen Finanzkrise lenkte Russland einen Großteil seines Handels auf die asiatischen Volkswirtschaften um" und überstand so den Druck aus dem Westen. Die Asia Times erklärt im Detail, wie dies vonstattenging:
"Die asiatischen Volkswirtschaften haben sich als alternative Bestimmungsorte für russische Exporte und als neue Importquellen erwiesen. Die Handelsbeziehungen mit China, Indien, der Türkei, den Golfstaaten und den zentralasiatischen Ländern haben der russischen Wirtschaft Auftrieb gegeben. Der bilaterale Handel zwischen Russland und China wuchs im Jahr 2022 um 29 Prozent, und im ersten Quartal des Jahres 2023 um 39. Er könnte bis Ende 2023 ein Volumen von 237 Milliarden US-Dollar erreichen – eine Summe, die größer ist als der gesamte bilaterale Handel Chinas mit Volkswirtschaften wie Australien, Deutschland oder Vietnam. Im Jahr 2022 stieg der russische Handel mit den Vereinigten Arabischen Emiraten um 68 Prozent, während der Handel mit der Türkei um 87 Prozent zunahm. Der russisch-indische Handel stieg um 205 Prozent auf 40 Milliarden US-Dollar."
Die asiatische Nachfrage habe den Verlust der Ölexporte in die EU "mehr als wettgemacht", meint die Asia Times. Denn Indien habe sich zum größten Einzelabnehmer von russischem Rohöl auf dem Seeweg entwickelt und kaufe seit Anfang 2023 mehr als 1,4 Millionen Barrel pro Tag. "Die chinesischen Importeure liegen nicht weit dahinter und werden im Jahr 2023 zwischen 800.000 und 1,2 Millionen Barrel pro Tag abnehmen. Innerhalb eines Jahres haben Indien, China, die Türkei und die Golfstaaten die europäische Nachfrage nach russischen Ölexporten vollständig ersetzt", betont die Zeitung.
Der "Umschwung Richtung Orient" habe außerdem dazu beigetragen, dass Russland die Lücke schließen konnte, die der Rückzug westlicher Technik-Riesen – von Computergiganten bis hin zu Automobilproduzenten – hinterlassen habe. Chinesische Unternehmen zum Beispiel lieferten nun alles – von Neuwagen bis zu Smartphones.
"Russlands Handelspartner in der Eurasischen Wirtschaftsunion haben ebenfalls eine Rolle bei der Umgehung von Technologieexportbeschränkungen gespielt“, heißt es in dem Beitrag weiter.
"Die zentralasiatischen Volkswirtschaften sind als Kanäle für Parallelimporte und Transithandel aktiv."
Diese Entwicklung könne am Beispiel der Einfuhren von Maschinen und chemischen Erzeugnissen veranschaulicht werden:
"Im Oktober des Jahres 2022 war der Anstieg der Exporte nach Russland aus China, Weißrussland, der Türkei, Kasachstan, Kirgisistan und Armenien im Vergleich zum Vorjahr fast genauso hoch wie der Rückgang der europäischen, US-amerikanischen und britischen Exporte nach Russland."
In anderen Bereichen sei die Situation ähnlich, und dies könne nur eines bedeuten: Es ist unwahrscheinlich, dass solch ein Instrument wie Wirtschaftssanktionen, das die westlichen Länder im letzten Jahrhundert so gerne eingesetzt haben, in der neuen wirtschaftlichen Realität noch funktioniert – erst recht nicht gegen so gewichtige Länder wie Russland.
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