Sicherheitskräfte hatten den Ex-Premier Imran Khan, der im vergangenen Jahr durch ein Misstrauensvotum als Regierungschef gestürzt worden war, am Dienstagmorgen überraschend festgenommen, als er vor dem High Court der Hauptstadt Islamabad erscheinen wollte, um in einem Korruptionsverfahren gegen ihn aussagen. Berichten zufolge zerrten Sicherheitskräfte Khan aus dem Gerichtsgebäude.
Pakistanische Medien berichteten, "paramilitärische Einheiten" hätten kurz nach Khans Ankunft auf dem Gerichtsgelände die Tore mit gepanzerten Fahrzeugen blockiert und den ehemaligen Ministerpräsidenten abgeführt.
Dies stellt eine dramatische Eskalation der politischen Spannungen dar, die bereits zu gewaltsamen Demonstrationen seiner wütenden Anhänger im ganzen Land führte.
Neben fünf verletzten Personen kam mindestens eine Person sogar ums Leben bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und dem Militär in Quetta, der Hauptstadt der Provinz Belutschistan. Etwa 15 Personen wurden bei ähnlichen Ausschreitungen in Karatschi, Peschawar, Rawalpindi und Lahore verletzt. Die Polizei setzte Tränengas ein, um die Demonstrationen aufzulösen. Als sich die Nachricht von der Verhaftung verbreitete, stürmten etwa 4.000 Anhänger Khans die offizielle Residenz des obersten regionalen Befehlshabers in Lahore, zerschlugen Fenster und Türen, beschädigten Möbel und veranstalteten einen Sitzstreik, während sich die Truppen dort zurückzogen, um Gewalt zu vermeiden. Die Demonstranten zündeten auch Polizeifahrzeuge an und blockierten wichtige Straßen.
In drei von vier Provinzen des Landes setzten die Behörden Notstandsgesetze in Kraft und verboten öffentliche Versammlungen. Das Innenministerium ordnete Einschränkungen der Kommunikation über Internet an.
Offenbar war die Festnahme von Khan nicht vom High Court selbst angeordnet worden. Dessen Oberster Richter protestierte gegen die Aktion und drohte, Ministerpräsident Shehbaz Sharif vorzuladen, wenn er keine Auskunft über die Hintergründe der Festnahme erhalte. Damit hat sich Khan-Fall in Pakistan offenbar zu einer Staatskrise entwickelt.
Khan nannte mehrfach die gegen ihn eingeleiteten Verfahren, zu denen auch Terrorismusvorwürfe gehören, als politisch motiviertes Komplott seines Nachfolgers, des derzeitigen Premierministers Shehbaz Sharif, und hatte erklärt, seine Absetzung sei illegal und Ergebnis einer Verschwörung des Westens. Khan hat eine Kampagne gegen Sharif geführt und vorgezogene Wahlen gefordert.
Khan steht weiterhin an der Spitze der oppositionellen Partei PTI und will bei den anstehenden Wahlen im Herbst zurück an die Macht kommen. Seit dem jüngsten Attentat auf ihn stilisiert sich Khan mehr denn je als Kandidat des Volkes gegen die Eliten, die sich gegen ihn verbündet hätten.
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