Nordkorea hat von einem U-Boot aus zwei strategische Marschflugkörper abgefeuert und damit nur wenige Stunden vor Beginn des größten gemeinsamen Militärmanövers der Vereinigten Staaten und Südkoreas seit fünf Jahren ein Zeichen der Stärke gesetzt. In einem am Montag veröffentlichten Bericht von Pjöngjangs staatlicher Nachrichtenagentur KCNA heißt es, dass die "strategischen Marschflugkörper" am Sonntagmorgen von einem U-Boot im Japanischen Meer, das in Korea auch als Ostmeer bekannt ist, gestartet worden seien. Die Starts am Sonntag erfolgten etwa 24 Stunden vor dem Beginn der gemeinsamen Frühjahrs-Militärübung von Washington und Seoul am Montag, den größten Kriegsspielen der beiden Verbündeten seit fünf Jahren.
Das elftägige Manöver "Freedom Shield" wird Elemente von "Live-Übungen mit konstruktiven Simulationen verbinden", so die US-Streitkräfte Korea (USFK) in einer früheren Erklärung. Pjöngjang hatte seinerseits mehrfach vor der geplanten Übung gewarnt und darauf hingewiesen, dass er "jede Bewegung des Feindes beobachtet und entsprechende, sehr starke und überwältigende Gegenmaßnahmen gegen jede seiner uns feindlich gesinnten Bewegungen" ergreifen werde.
Nach Angaben des südkoreanischen Generalstabs feuerte Nordkorea am Sonntag die bisher nicht identifizierten Raketen von einem U-Boot nahe der Hafenstadt Sinpo in der Provinz Süd-Hamgyong ab. Die Raketen flogen demnach über eine Stunde lang mit einer Geschwindigkeit von rund 1.500 Kilometern pro Stunde. Die Zentrale Militärkommission der Arbeiterpartei Nordkoreas äußerte sich nach der Übung "zufrieden", berichtete die KCNA. Die Nachrichtenagentur legte zudem offen, dass Nordkorea beabsichtige, die getesteten Raketen mit atomaren Sprengköpfen zu bestücken.
Die jüngsten Raketentests erfolgten wenige Tage, nachdem der nordkoreanische Staatschef Kim Jong-un eine Reihe von Waffenstarts beaufsichtigt und seinen Soldaten befohlen hatte, die Anstrengungen zu verstärken, um die "verzweifelten Kriegsvorbereitungen" des Rivalen abzuwehren. Pjöngjang betrachtet die Militärübungen der USA und Südkorea als Proben für eine Invasion und argumentierte, dass seine Atomwaffen- und Raketenprogramme zur Selbstverteidigung notwendig seien. Der jüngste Raketentest sei daher nur ein Ausdruck der Entschlossenheit Nordkoreas in einer Situation, in der "die US-Imperialisten und die südkoreanischen Marionettentruppen immer unverhohlener in ihren antinordkoreanischen Manövern werden", heißt es in dem KCNA-Bericht.
Ungeachtet Pjöngjangs Warnungen, begannen die Streitkräfte der USA und Südkoreas am frühen Montag mit ihrem "Freedom Shield"-Manöver. Die südkoreanisch-amerikanischen Übungen umfassen offiziellen Angaben zufolge eine Computersimulation namens "Freedom Shield 23" und mehrere kombinierte Feldübungen, die unter dem Namen "Warrior Shield FTX" bekannt sind. In einer gemeinsamen Stellungnahme hatten das südkoreanische und das US-Militär zuvor erklärt, dass die Computersimulation die Verteidigungs- und Reaktionsfähigkeiten der Verbündeten angesichts der zunehmenden nuklearen Bedrohung durch Nordkorea und anderer sich verändernder Sicherheitsbedingungen stärken solle. Zudem solle die "Zusammenarbeit der beiden Streitkräfte in den Bereichen Luft, Land, See, Weltraum, Cyber- und Spezialoperationen" durch die gemeinsame Übung weiter verbessert werden.
"Freedom Shield soll die Verteidigungs- und Reaktionsfähigkeiten des Bündnisses stärken, indem sich das Übungsszenario auf Themen wie das sich verändernde Sicherheitsumfeld, die Aggression der Demokratischen Volksrepublik Korea (DVRK) und die Lehren aus den jüngsten Kriegen und Konflikten konzentriert", sagte Oberst Isaac Taylor, der Sprecher der US-Streitkräfte in Korea, während einer gemeinsamen Pressekonferenz am Freitag. Im vergangenen Jahr hatte Pjöngjang eine beispiellose Serie ballistischer Raketentests gestartet, darunter Interkontinentalraketen und U-Boot-gestützte ballistische Raketen. Südkorea und die Vereinigten Staaten reagierten ihrerseits mit einer raschen Ausweitung ihrer gemeinsamen militärischen Aktivitäten. Infolgedessen hat sich das Wettrüsten auf der koreanischen Halbinsel verschärft.
Am Samstag veröffentlichte die KCNA einen Gastbeitrag von Ku Yong Chol, einem Forscher im nordkoreanischen Außenministerium, in dem er behauptete, dass die USA und ihre Verbündeten das internationale Abrüstungssystem zum Zusammenbruch gebracht hätten. Daher würden Nordkoreas Bemühungen um den Ausbau seiner nuklearen Fähigkeiten einstweilen fortgesetzt, so Ku. "Die nukleare Abschreckung der DVRK dient als mächtige physische Garantie, um das Kräftegleichgewicht in der Region zu sichern und den Ausbruch eines neuen Krieges zu verhindern, und zwar in der gegenwärtigen Situation, in der das internationale Abrüstungssystem an Substanz verliert und die Gefahr eines bewaffneten Konflikts auf der koreanischen Halbinsel durch die einseitige Aufrüstung der USA und ihrer Verbündeten zunimmt."
Ku rechtfertigte die nukleare Aufrüstung des Nordens auch als Selbstverteidigungsmaßnahme gegen die in der Region stationierten US-Streitkräfte und die Aufrüstung der Nachbarländer wie Südkorea und Japan. Er erklärte auch, dass der Besitz nuklearer Kampfkraft "der beste Weg ist, um ein Maximum an militärischer Abschreckung zu minimalen Kosten" zu gewährleisten. "Die von der DVRK verfolgte Linie, die Nuklearstreitkräfte zu verstärken, ist die geeignetste Maßnahme, um den Frieden und die Stabilität auf der koreanischen Halbinsel und in der Region zu gewährleisten und dem rücksichtslosen Wettrüsten der USA und ihrer Anhänger zu begegnen", sagte Ku:
"Die USA können sich niemals der Schuld entziehen, den globalen Frieden und die Sicherheit zu zerstören und das internationale Abrüstungssystem zu Fall zu bringen."
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