Neue strategische Partnerschaft? – Warum China mit den Taliban einen Energievertrag geschlossen hat

Trotz seiner Abneigung gegen den islamischen Fundamentalismus geht Peking bei der Energiesicherung pragmatisch vor, während das China-Modell Kabul etwas Neues, Positives und Anderes bietet.

Von Timur Fomenko

Afghanistan hat einen Vertrag mit einem chinesischen Unternehmen unterzeichnet, das 540 Millionen US-Dollar in die Erschließung von Öl- und Gasfeldern im Land investieren wird. Das Abkommen ist seit dem Abzug der US-Streitkräfte nach 20 Jahren Besatzung und der anschließenden Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 die erste Großinvestition in Afghanistan.

Obwohl Peking die Taliban nicht als legitime Regierung Afghanistans ansieht, erkennt es die Tatsache an, dass diese Gruppierung die Kontrolle über das Nachbarland mit seinen gigantischen, natürlichen Ressourcen hat, wodurch Afghanistan für Chinas wirtschaftliche Sicherheit und Energiestrategie eine tragende Rolle einnimmt. Während also westliche Diplomaten nach dem Vormarsch der Taliban auf Kabul das Weite suchten, blieben chinesische Unterhändler vor Ort.

Die Entscheidung, ein Abkommen mit den Taliban zu schließen, ist die Folge eines strategischen Dilemmas, vor dem China hinsichtlich seiner Energiesicherheit steht. Als bevölkerungsreichste Nation der Welt und als Industriegigant ist China der größte Verbraucher von Energie weltweit. China verfügt selbst nicht über genügend eigene Ressourcen, um seinen Bedarf zu decken, der mit der rasanten Entwicklung des Landes ständig zunimmt. Dies hat China zu einem wichtigen Nettoimporteur von Öl und Erdgas gemacht, was ein treibender Faktor bei vielen seiner jüngsten Partnerschaften ist, darunter mit Russland, Ecuador und den Golfstaaten des Nahen Ostens.

Während Chinas Beziehungen zu diesen Ländern stark geblieben sind, bilden Pekings Energieimporte eine strategische Achillesferse: Diese Ressourcen, mit Ausnahme derjenigen aus Russland, müssen auf dem Seeweg und durch strategisch umstrittene Regionen importiert werden, die von den Vereinigten Staaten militarisiert werden. Dazu gehört das Südchinesische Meer.

Die USA streben die Dominanz über Chinas gesamte Peripherie an. Im Falle eines Konflikts würden sie mit ziemlicher Sicherheit versuchen, die Seewege nach China mit einer Blockade abzuschneiden, um dadurch die Energieversorgung zu kappen. Auch wenn der Versuch, eine solche Blockade zu verhängen, kostspielig für die USA wäre, gäbe es noch gravierendere "strategische Flaschenhälse", wie die Straße von Malakka, deren Blockade denselben Effekt erzielen würde.

China hat diese Schwachstellen erkannt und in den vergangenen Jahren mit dem Aufbau der Belt and Road Initiative (BRI) reagiert, die versucht, Eurasien durch den Bau transkontinentaler Straßen und Eisenbahntrassen zu integrieren und neue Logistik-Routen zu etablieren, die den Warenim- und -export aus China ermöglichen und außerhalb des amerikanischen Einflusses liegen. So wurde etwa der chinesisch-pakistanische Wirtschaftskorridor (China-Pakistan Economic Corridor, CPEC) inzwischen zum Eckpfeiler der BRI; er schafft eine Verbindung zum westlichen Indischen Ozean und eine Abkürzung zum Nahen Osten, um militärisch gefährdete Seeregionen zu umgehen.

Aber kein strategischer Fahrplan, einschließlich jener der BRI, wäre ohne die Einbeziehung Afghanistans vollständig. Das zentralasiatische Land teilt einen kurzen Grenzabschnitt mit China und liegt als Drehkreuz zwischen dem Nahen Osten, Zentral- und Südasien. Das bedeutet, dass Afghanistan ein kritischer Teil von Chinas eigener Sicherheit und Strategie bildet. Während das Land von Natur aus instabil und daher seit Jahrzehnten nicht integrierbar war, haben das Ende des von den USA geführten Krieges in Afghanistan und die Übernahme der Kontrolle durch die Taliban dem Land eine verhältnismäßig relative Stabilität verliehen. Obwohl ein Aufstand des Islamischen Staates (IS) mit Terroranschlägen anhält, befindet sich Afghanistan im stabilsten Zustand seit 40 Jahren – was zugegebenermaßen eine sehr niedrige Messlatte ist.

Und wie es der Zufall will, verfügt Afghanistan über riesige Reserven an Bodenschätzen und rund 50 Billionen Kubikmeter an nachgewiesenen Erdgasreserven sowie eine relevante Menge an Öl. Für China ist dies wichtig, und für die Taliban ist die Sicherung ausländischer Investitionen von entscheidender Bedeutung, da die Wirtschaft des Landes am Boden liegt. Seit Jahrzehnten hatte Afghanistan keinerlei Gelegenheit, an derartige Investitionen zu gelangen – ein Problem, das durch die Korruption des von den USA eingesetzten Regimes noch verschärft wurde. Diese Umstände hat es zwei ideologischen Gegensätzen, islamischen Fundamentalisten und einem kommunistischen Staat, ermöglicht, zusammenzufinden und einen Handel in Höhe von einer halben Milliarde Dollar zu besiegeln.

Mit diesem Abkommen verpflichtet sich China, die Innenpolitik Afghanistans zu respektieren und seine eigene traditionelle Position der Nichteinmischung aufrechtzuerhalten. Während dies einen entscheidenden Vorteil und eine Alternative zu den Vereinigten Staaten bietet, die versucht haben, dem Land ihre eigene ideologische Vision gewaltsam aufzuzwingen und damit scheiterten, bedeutet dies aber auch, dass Peking die extremistische Politik der Taliban, etwa die Diskriminierung von Frauen, ignorieren muss.

China lehnt den islamischen Fundamentalismus bis zu dem Punkt ab, dass er ihn als Ideologie des Separatismus in der autonomen Region Xinjiang verurteilt hat und sieht die Durchsetzung der säkularen Herrschaft über die uigurische Minderheit als entscheidend für die Stabilität in dieser Region. Eine Reihe von Maßnahmen, mit denen diese Politik durchgesetzt werden soll, wird vom Westen zunehmend angegriffen. Chinas Außenpolitik ist jedoch pragmatisch ausgerichtet und der Aufbau von wirtschaftlichen Beziehungen mit dem Taliban-Staat an seiner Grenze liegt im nationalen und strategischen Interesse. China braucht den Zugang zu Energiequellen – und wo könnte man besser danach suchen als im Nachbarstaat?

Daher geht Peking vermutlich davon aus, durch Investitionen in Afghanistan das Land durch steigenden Wohlstand stabiler machen zu können. Es gibt zwar viele Vorbehalte gegen den Charakter der Taliban-Herrschaft, aber ist es nicht Zeit für Veränderungen? Flächenbombardements und Kriege in Afghanistan im Namen der Demokratie haben jahrzehntelang erbärmlich versagt und das Land als gescheiterten Staat in Schutt und Asche gelegt.

Afghanistan verdient die Chance, sich durch Exporterträge wirtschaftlich zu erholen, anstatt durch US-geführte Kriege und Sanktionen ausgehungert zu werden. Das China-Modell bietet Kabul daher etwas Neues, Positives und Anderes.

Aus dem Englischen

Timur Fomenko ist politischer Analyst.

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