Eine Analyse von Anton Gentzen
Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping hat seine Macht weiter ausgebaut und wird die Volksrepublik mindestens für weitere fünf Jahre anführen. Auf seiner ersten Plenarsitzung stimmte das neue Zentralkomitee der Kommunistischen Partei am Sonntag in Peking erwartungsgemäß für eine dritte Amtszeit des 69-Jährigen als Generalsekretär und Chef der Militärkommission. Er setzt sich damit über die seit den Neunzigerjahren angewandten Alters- und Amtszeitgrenzen hinweg – und knüpft an den Staatsgründer und Revolutionär Mao Zedong an.
Der nur alle fünf Jahre stattfindende Parteikongress hatte zum Abschluss seiner einwöchigen Sitzung am Vortag die Ideologie von Xi Jinping und seine dauerhafte Führungsrolle tiefer in der Parteiverfassung verankert und unbedingte Loyalität gefordert. Nach der Sitzung des Zentralkomitees in der Großen Halle des Volkes stellte Xi Jinping bei einer Pressebegegnung seine neue Führungsmannschaft vor, die er mit treuen Gefolgsleuten besetzt hat.
Im weiterhin siebenköpfigen, Ständigen Ausschuss des Politbüros trat überraschend der Shanghaier Parteichef Li Qiang an zweiter Stelle auf das Podium. Der Aufstieg des 63-Jährigen deutet darauf hin, dass der enge Vertraute von Xi Jinping im März neuer Regierungschef werden soll.
Dem mächtigen Ständigen Ausschuss gehören künftig außer Xi Jinping und Li Qiang unverändert der Vorsitzende der parteiinternen Disziplinarkommission, Zhao Leji (65), und der Chefideologe Wang Huning an. Es wird erwartet, dass der 67-jährige Wang im März neuer Parlamentschef und damit Nummer zwei im Staat werden könnte. Neu im innersten Zirkel sind außer dem Shanghaier Parteichef auch sein Pekinger Amtskollege Cai Qi (66), der Stabschef und enge Vertraute von Xi Jinping, Ding Xuexiang (60), sowie der Parteichef der wichtigen Provinz Guangdong, Li Xi (66).
Der bisherige Regierungschef Li Keqiang dagegen gehört dem Zentralkomitee nicht mehr an, obwohl er erst 67 Jahre alt ist. Er hat bereits angekündigt, auf der Jahrestagung des Volkskongresses im März als Premier abtreten zu wollen. Nach Meinung vieler China-Experten gehörte Li einem anderen Parteilager als Xi Jinping an, nämlich einer Gruppe, die intern auch als "Komsomolzen" bezeichnet wird. Dieses Lager war auf enge Beziehungen zu den USA ausgerichtet und galt als proamerikanische Lobby innerhalb der chinesischen Staats- und Parteiführung. Die Entmachtung dieser Gruppe wird weitgehend als Signal für eine härtere Gangart Chinas in der Taiwan-Frage und in der geopolitischen Auseinandersetzung mit den Vereinigten Staaten gewertet.
Auch im neuen, 370 Mitglieder und Kandidaten zählenden Zentralkomitee ist die auf Ausgleich mit den USA orientierte Fraktion zurückgedrängt. Wichtige Mitglieder des bisherigen Wirtschaftsteams fehlen im künftigen ZK, obwohl nicht alle die Altersgrenze erreicht haben. Neben Vizepremier Liu He (70) sind auch jüngere Führungskräfte wie Zentralbankchef Yi Gang (64), Finanzminister Liu Kun (65) und der Chef der Bankenaufsicht, Guo Shuqing (66), nicht mehr vertreten und dürften damit bei der Regierungsumbildung im März abtreten.
Die besondere Führungsrolle von Vizepremier Liu He (70), der die Verhandlungen im anhaltenden Handelskrieg mit den USA geführt hatte, soll nach Erwartungen von China-Experten der Wirtschaftsfachmann und heutige Chef der einflussreichen Reform- und Entwicklungskommission (NDRC), He Lifeng (67), übernehmen.
Außenminister Wang Yi (69) gehört trotz seines Alters dem neuen Zentralkomitee weiter an. Das deutet darauf hin, dass der hohe Diplomat den 72-jährigen Yang Jiechi als Staatsrat und oberster Außenpolitiker der Partei ersetzen könnte, was Kontinuität erwarten lässt. Auch für den Vizemilitärchef, General Zhang Youxia, gelten offensichtlich keine Altersgrenzen: Der 72 Jahre alte enge Vertraute von Xi Jinping wurde als Vizechef der Militärkommission bestätigt.
Die Entmachtung der sogenannten "Komsomolzen" wurde besonders augenscheinlich, als der Amtsvorgänger von Xi Jinping, der 79-jährige Hu Jintao, kurz bevor Xi die Abschlussrede hielt, gewaltsam aus dem Präsidium des Parteitages entfernt wurde. Hu Jintao war von 2003 bis 2013 Staats- und Parteichef und gilt als Vertreter guter Beziehungen zu den USA. Experten zufolge sind die meisten der auf dem Parteitag entmachteten Funktionäre und Amtsträger persönliche Zöglinge von Hu und sehen in seiner Entfernung aus dem Präsidium des Parteitages eine an die Außenwelt gerichtete Botschaft der Kursänderung der Chinesischen Kommunistischen Partei.
Andere Experten warnen davor, den Vorfall um Hu Jintao überzubewerten. Sie erinnern daran, dass der 79-Jährige schon zu Beginn des Parteitages körperlich keinen guten Eindruck machte und zeitweise verwirrt schien. Banale menschliche Gründe für seine Entfernung aus dem Präsidium können daher nicht ausgeschlossen werden. Doch auch dann ändert sich am wichtigsten Ergebnis des 20. Parteitages der KPCh wenig: Staats- und Parteichef Xi Jinping geht aus ihm gestärkt hervor, China rüstet sich weiter für die Konfrontation mit den USA.
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rt de / dpa
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