Vom 5. bis zum 8. September fand im russischen Wladiwostok das Östliche Wirtschafts-Forum (Eastern Economic Forum) statt. An dem Forum nahmen Vertreter aus 68 Ländern teil, allerdings niemand aus den USA. Der russische Präsident Wladimir Putin hielt eine Ansprache, die mit viel Applaus bedacht wurde. Russland öffnet sich immer weiter in Richtung Osten.
Wang Wen, Professor am Chongyang-Institut für Finanzstudien der Renmin-Universität in China, kommentierte diese Entwicklung in der in Peking erscheinenden Global Times.
Die Sanktionen hätten keinen signifikanten Einfluss auf Russland, schildert Wen seinen Eindruck nach einem Rundgang durch Sankt Petersburg. Die überwiegende Mehrzahl westlicher Marken sei weiterhin verfügbar. McDonald's hat den russischen Markt zwar offiziell verlassen, aber KFC ist nach wie vor geöffnet. Lange Schlangen würden sich jeden Tag vor den Kassen bilden. Die Apple-Stores seien einen Tag geschlossen gewesen, am nächsten Tag hätten sie wieder geöffnet, erzählt ihm ein Verkäufer in einer Filiale des US-amerikanischen Tech-Giganten.
Die von Wen besuchte Mall in Zentrum von Sankt Petersburg sei gut besucht gewesen. Der Alltag der Russen wird von den westlichen Sanktionen nicht beeinflusst, ist sich Wen sicher.
Natürlich gebe es auch negative Auswirkungen, die vor allem die Empfänger mittlerer und hoher Einkommen treffen würden. Die Möglichkeiten etwa, nach Europa zu reisen, sei eingeschränkt worden. Es sei darüber hinaus schwieriger geworden, Ersatzteile für westliche Produkte zu bekommen. Auch der Bezug von westlichen High-Tech-Produkten ist nicht mehr so einfach wie noch vor ein paar Monaten, Visa sowie Mastercard haben ihren Service in Russland eingestellt.
Allerdings hätte Russland schnell Ersatz gefunden. Wen führt als Beispiel die Marke Lego an, die durch den chinesischen Spielzeughersteller BELA weitgehend ersetzt worden sei.
In seiner Rede auf dem Wirtschaftsforum hätte der russische Präsident deutlich gemacht, dass die USA in ihrer Bedeutung absteigen, es aber unmöglich sei, Russland zu isolieren. Von einem internationalen Publikum habe Putin für seine Darlegungen viel Applaus bekommen.
Insbesondere wenn es um die fernöstliche Integration geht, nehme eine Welt ohne US-amerikanischen Einfluss immer deutlicher Gestalt an.
Wen glaubt, in den nächsten beiden Dekaden würde die Welt den größten Wohlstands-Transfer in ihrer Geschichte sehen. Der Wohlstand verschiebe sich vom Atlantik in Richtung der pazifischen Region.
Der Ferne Osten wird zum Innovationszentrum der Smarten Revolution. Städte wie Peking, Shanghai, Shenzhen, Singapur, Seoul und Tokio seien künftig die führenden Metropolen, wenn es um die Einführung und Umsetzung von High-Tech-Lösungen in allen Lebensbereichen geht. Im Fernen Osten entwickelten sich Ideen wesentlich schneller als in Europa oder den USA. Sie ließen sich dort auch einfacher umsetzen.
Diese Innovationsdynamik zieht immer mehr Talente an. Seit der Finanzkrise von 2008 hätte sich die Zahl der in Fernost lebenden US-Amerikaner von 4 auf 10 Millionen erhöht. Entsprechende Programme, um junge Talente zu akquirieren, seien in allen Ländern des Fernen Ostens aufgelegt worden.
Russland ist gerade das Land, das seine Hinwendung zum Osten immer weiter beschleunigt. Unter diesem Gesichtspunkt werden die Sanktionen Russland nicht ruinieren, sondern vielmehr ein neues Russland erzeugen, welches seine Illusionen bezüglich des Westens aufgegeben hat. Russland wird sich tiefer in den Osten integrieren, zu einer neuen Selbstverwirklichung finden und von den Vorteilen des Aufstiegs des Ostens profitieren, ist sich Wen sicher.
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