In Kasachstan werden im Herbst vorgezogene Präsidentschaftswahlen stattfinden. Dies kündigte der derzeitige Staatschef der zentralasiatischen Republik, Qassym-Schomart Toqajew, am Donnerstag in einer Ansprache an das Parlament des Landes an. Er selbst will sich an den Wahlen auch beteiligen. Der Wahlsieger soll Kasachstan sieben Jahre lang führen, ohne das Recht, für eine zweite Amtszeit zu kandidieren.
Toqajews Ankündigung kam für die Bevölkerung wie für die Fachwelt sehr überraschend. Die laufende Amtszeit des Präsidenten würde erst in zwei Jahren enden, und bis gestern gab es nicht den geringsten Hinweis auf vorgezogene Neuwahlen. Das Staatsoberhaupt begründete die Entscheidung mit Interessen des Staates, die Vorrang hätten.
Das Überraschendste ist die Beschränkung der Amtszeit auf nur eine Wahlperiode, bei gleichzeitiger Verlängerung von fünf auf sieben Jahre. Unklar bleibt vorerst, ob das Verbot der Wiederwahl ab sofort gilt oder erst nach den kommenden vorgezogenen Wahlen in Kraft treten wird. Letzteres würde bedeuten, dass der im Herbst gewählte Präsident fünf Jahre lang im Amt bleiben und dann für eine weitere siebenjährige Amtszeit kandidieren könnte.
Kasachische Verfassungsexperten interpretieren die Reform jedoch überwiegend anders:
"Schon die bevorstehende Wahl soll nach dem neuen Prinzip durchgeführt werden. Das heißt, das Parlament wird auf Toqajews Vorschlag die Verfassung bereits vor den Wahlen abändern",
erklärte der Politikexperte Islam Kurajew gegenüber der Nachrichtenagentur RIA Nowosti.
Kasachstan ist das erste Land der ehemaligen Sowjetunion, das eine Amtszeitbegrenzung auf nur eine Wahlperiode einführt. Das benachbarte Usbekistan bereitet derzeit eine Verfassungsreform vor, die es Präsident Schawkat Mirsijojew ermöglichen würde, für eine dritte Amtszeit zu kandidieren. Und in Tadschikistan gewann Emomali Rahmon im vergangenen Jahr zum fünften Mal die Präsidentschaftswahl.
"Sieben Jahre sind ein ausreichender Zeitraum, um ein ehrgeiziges Programm umzusetzen. Andererseits wird die Begrenzung der Amtszeit des Präsidenten auf eine Amtszeit sicherstellen, dass sich das Staatsoberhaupt voll und ganz auf die Lösung der strategischen Aufgaben der nationalen Entwicklung konzentrieren kann. Das Leben steht nicht still, und die Dynamik der globalen Prozesse und der gesellschaftlichen Entwicklung im Lande beschleunigt sich täglich",
betonte Toqajew in seiner Rede am Donnerstag.
Im vergangenen Winter war es in Kasachstan zu Massenprotesten gekommen, die von den Medien als "blutiger Januar" bezeichnet wurden. Sie begannen mit wirtschaftlichen Forderungen und weiteten sich dann auf politische Forderungen aus. Toqajew wandte sich sodann an die OVKS mit der Bitte um Hilfe bei der Stabilisierung der Lage. In der Folge wurde die Situation im Land durch den Einsatz eines beschränkten Kontingents von armenischen, russischen und weißrussischen Truppen innerhalb kurzer Einsatzzeit befriedet, das internationale Kontingent bald wieder abgezogen.
Von RIA Nowosti befragte Experten sind davon überzeugt, dass diese Episode den kasachischen Staatschef dazu veranlasst hat, vorgezogene Wahlen abzuhalten. "Toqajew will nach den Ereignissen zu Beginn des Jahres endlich Legitimität erlangen. Er muss klären, welcher Teil der Bürgerinnen und Bürger ihn unterstützt. Und natürlich hofft er auf einen Sieg. Wie jeder Politiker hat er sich einen günstigen Zeitpunkt ausgesucht, um zu gewinnen", kommentierte Alexander Gusew, Direktor des Zentrums für strategische Entwicklung der GUS-Staaten, die Ankündigung vorgezogener Neuwahlen.
Die meisten Bürger Kasachstans unterstützen Toqajew, und es gibt keine Alternative zu ihm, glaubt Tschingis Lepsibajew, Vorsitzender des Eurasischen Expertenrates. Nach seiner Ansicht vertritt Toqajew die Reformkräfte im Land gegen dessen alte Elite. Eine Wiederwahl würde dem Präsidenten ein starkes Mandat für "ernsthafte politische Reformen" in die Hand geben.
Der Politikwissenschaftler Islam Kurajew ist sich sicher, dass Toqajew keine starken Gegner hat:
"Es mag einige alternative Kandidaten geben, aber das sind meist Medienpersonen, die nicht in der Lage sind, dem amtierenden Präsidenten Konkurrenz zu machen. Sie verfügen nicht über sein Format. Außerdem sind die Menschen dem derzeitigen Führer gegenüber loyal, denn unter ihm hat der Transformationsprozess begonnen. Der Staat wirft soziale Fragen auf, die Behörden schenken den Bürgern viel Aufmerksamkeit. Dies wird bei der Abstimmung eine wichtige Rolle spielen."
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