Eine Analyse von Timur Fomenko
Die Funken sprühten am vergangenen Dienstag, als Nancy Pelosi ihre vielbeachtete Reise nach Taiwan antrat und dabei den globalen "Kampf zwischen Demokratie und Autoritarismus" proklamierte. Damit stieß sie Peking effektiv den Finger ins Auge – und es versteht sich von selbst, dass man in China wütend wurde. Doch nach einem Sturm in den Social-Media-Kanälen, der ihrem Besuch vorausging, breitete sich anschließend ein bizarres Gefühl der Enttäuschung unter jenen aus, die Pekings erste Reaktion als "schwach" bezeichneten, weil man nicht physisch gegen die Landung der Maschine von Pelosi vorgegangen war. Twitter wurde mit hitzigen Kommentaren überflutet, in denen man beklagte, dass das Flugzeug mit Pelosi an Bord nicht abgefangen wurde. Und China wurde vorgeworfen, damit zuvor einen Bluff hingelegt zu haben.
Der Drang, ein selbst geschaffenes Narrativ einzufordern, und die außer Kontrolle geratenen Erwartungen übersahen natürlich die Tatsache, dass Peking umgehend nach dem Abflug aus Taiwan von Pelosi eine beängstigende Reihe von Militärübungen ankündigte, die derzeit gefährlich nahe an Taiwans Hoheitsgewässern durchgeführt werden, wobei einige der Sperrzonen, die China für die Übungen deklariert hat, keine 12 Meilen von der Küste Taiwans entfernt sind. Diese Übungen haben weite Teile von Taiwans Luftraum effektiv geschlossen. Zudem hat China eine noch nicht abschließende Liste von Sanktionen gegen die Insel verhängt, die unter anderem über 100 Lebensmittelunternehmen betrifft sowie einen Importstopp für bestimmte Fischsorten und einen Exportstopp von Natursand nach Taiwan beinhaltet – letzterer übrigens entscheidend für die taiwanische Halbleiterproduktion.
Dennoch verspotten nun Sofakrieger China als angeblich schwach, einfach weil es sich nicht für eine Militäraktion gegen die dritthöchste Repräsentantin der USA entschieden hat, also nicht für ein Vorgehen, das einen umfassenden Krieg hätte auslösen können. Während der Besuch von Pelosi zweifellos eine enorme und bisher beispiellose Provokation darstellt, die jede Art von Reaktion rechtfertigt, wäre es lächerlich zu erwarten, dass der möglicherweise größte Konflikt seit dem Zweiten Weltkrieg wegen dieses Besuchs hätte ausbrechen sollen. Es widerspricht jeder Vorstellung von Vernunft, Logik und gesundem Menschenverstand. Die Führung Chinas ist zwar erbost, und seine Bürger sind es noch viel mehr, aber Peking ist nicht dumm und handelt nicht impulsiv.
Die Volksrepublik China war seit ihrer Gründung oft genug bereit, auch militärische Gewalt anzuwenden. Es stürzte sich im Koreakrieg kopfüber an der Seite von Nordkorea in einen Kampf gegen die US-geführte Koalition, zog 1962 gegen Indien in einen Krieg und marschierte 1979 im Norden Vietnams ein. China hat keine Angst vor Krieg, besonders wenn es um Angelegenheiten der nationalen Souveränität geht oder wenn die strategische Einkreisung durch einen Gegner verhindert werden muss. Das bedeutet jedoch nicht, dass China Konflikte aus einer Laune heraus hervorruft. China wählt seine Schlachten sorgfältig aus und hat bei jeder Gelegenheit die Kosten-Nutzen-Faktoren sorgfältig abgewogen. Diese sind umso kritischer geworden, seit Chinas Wirtschaft boomt und sich zunehmend in den Rest der Welt integriert, wodurch ein Einsatz bei der Einleitung eines Konflikts heute wesentlich höher geworden ist und den Interessen Chinas als Ganzes entgegensteht.
Für China ist Taiwan derzeit ein sehr ernstes Thema. Xi Jinping hat den größtmöglichen politischen Einsatz für das Erreichen der "Wiedervereinigung" mit der Insel gesetzt – ein Ziel, das mit den Versuchen der USA kollidiert, die Ein-China-Politik zu untergraben. Aber das bedeutet nicht, dass ein Krieg der einzige oder bevorzugte Weg ist, dieses Ziel zu erreichen. Vielmehr ist sich China der Realität bewusst, dass ein solcher Konflikt seine primären Ziele, die nationale Entwicklung und ein fortschreitendes nationales Wachstum zu erreichen, ernsthaft untergraben würde, wobei man in Peking zuversichtlich ist, die Zeit auf seiner Seite zu haben und dass der historische Weg zu seinen Gunsten verlaufen wird.
Es ist nicht China, das in Panik gerät und sich bemüht, seine Dominanz zu festigen, sondern es sind die USA, die einen Niedergang fürchten. Vielmehr wird China fortwährend militärisch mächtiger, wobei es bestrebt bleibt, sich tiefer in die Weltwirtschaft zu integrieren – während der gleichzeitigen Bemühungen der USA, China einzudämmen und von seinen Partnern zu isolieren. Es ist offensichtlich, dass die USA ihre Verbündeten ohne Weiteres dazu bringen könnten, auf eine Militäraktion Pekings zu reagieren, selbst wenn China am Ende durchaus als Sieger dastehen könnte.
Angesichts dessen ist es eine kurzsichtige und impulsive Denkweise zu behaupten, es sei irgendwie eine "Niederlage" oder ein Gesichtsverlust, nur weil sich China beim Besuch von Pelosi mit der gebotenen Zurückhaltung verhalten und es vermieden hat, sich einem größeren Krieg mit den USA zu stellen. Tatsächlich hat Peking einige donnernde Erklärungen abgegeben, die wahrscheinlich nicht beim Erwartungsmanagement geholfen haben, aber die wirklichen Konsequenzen werden langfristige und nicht kurzfristige sein. Die bloße Weigerung, Taipeh aus einer Laune heraus zu bombardieren, bedeutet nicht, dass Peking jetzt nicht noch entschlossener sein wird, die Schlinge um die Insel enger zu ziehen. Wie in Hongkong wird China einen schnellen, aber entscheidenden und unblutigen Sieg anstreben, der seine Position sichert, dabei aber minimale Kosten verursacht.
Für China geht es nicht um diesen einen Dienstag im August 2022, sondern um den Weg, der jetzt vor dem Land liegt. Chinas Strategie besteht darin, seine eigenen Fortschritte sowohl militärisch als auch wirtschaftlich und technologisch weiter zu festigen und gleichzeitig einen kurzfristigen Großmachtkonflikt zu vermeiden, der katastrophal wäre. Das bedeutet natürlich nicht, dass man in Peking keine roten Linien kennt – und dass die USA fest entschlossen sind, diese so provokant wie möglich zu übertreten.
Kurz gesagt, Nancy Pelosi hat ein neues Paradigma der Spannungen und Konfrontationen eröffnet, aber das macht es für Peking nur noch wichtiger, selbst klüger, noch zurückhaltender und langfristiger in seiner Strategie zu agieren. Denn das alles ist kein Videospiel.
Übersetzt aus dem Englischen
Timur Fomenko ist ein politischer Analyst.
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