Präsident flieht auf die Malediven – Sri Lanka erklärt Ausnahmezustand

Im krisengeschüttelten Sri Lanka überschlagen sich die Ereignisse: Der bisherige Präsident, Gotabaya Rajapaksa, flieht auf die Malediven. Sein nicht minder unbeliebter Premier löst ihn vorübergehend ab – und verhängt den Ausnahmezustand sowie eine Ausgangssperre.

Inmitten einer schweren Wirtschaftskrise und anhaltenden Protesten der Bevölkerung spitzt sich das politische Chaos in Sri Lanka zu. Präsident Gotabaya Rajapaksa floh am Mittwoch mit seiner Ehefrau an Bord einer Militärmaschine in das Urlaubsparadies Malediven, wie die Behörden beider Länder bestätigten. Zum Nachfolger wurde übergangsweise der ebenfalls unpopuläre Premierminister, Ranil Wickremesinghe, ernannt. Das jedoch heizte die Proteste in dem südasiatischen Land weiter an. Kurz nach seinem Amtsantritt erklärte der 73-Jährige den Ausnahmezustand und verhängte eine Ausgangssperre.

Der Inselstaat südlich von Indien mit seinen etwa 22 Millionen Einwohnern durchlebt die schwerste Wirtschaftskrise seit der Unabhängigkeit von Großbritannien im Jahr 1948. Die Wut der Demonstranten speist sich unter anderem aus dem seit Monaten bestehenden Mangel an Treibstoff und Gas zum Kochen, aber auch aus dem Fehlen von Medikamenten und Lebensmitteln.

Die hohe Inflation und stundenlange Stromausfälle sorgen ebenfalls für großen Unmut. Ein Grund dafür ist, dass Einnahmen aus der wichtigen Tourismusbranche im Zuge der Corona-Pandemie eingebrochen sind. Dem stark verschuldeten Land fehlt das Geld, um wichtige Güter zu importieren.

Präsident Rajapaksa (ebenfalls 73 Jahre alt) hatte angesichts der Unruhen am Wochenende ursprünglich angekündigt, am Mittwoch als Staatschef zurücktreten zu wollen. Seither war er nicht in der Öffentlichkeit gesehen worden. Bislang habe er seinen Rücktritt nicht offiziell eingereicht, was ihm Immunität vor Strafverfolgung garantiere, hieß es in Medienberichten. Das Amt hatte er Ende 2019 angetreten.

Indien, China und Russland sollen helfen

Am Wochenende hatte eine aufgebrachte Menschenmenge den Präsidentenpalast sowie ein Bürogebäude des Staatschefs gestürmt und besetzt sowie die private Residenz von Premier Wickremesinghe in Brand gesteckt. Auch dieser hatte sich zum Rücktritt bereiterklärt – falls eine Allparteienregierung gebildet werde. Den Ausnahmezustand begründete er am Mittwoch mit Geheimdienstberichten über eine drohende Erstürmung des Parlamentes und anderer Gebäude.

Die Nachricht von der Ausreise des Präsidenten löste zwar Jubel unter den Demonstranten in der Hauptstadt Colombo aus. Sie protestierten aber dagegen, dass nun der Premier das Amt des Staatschefs geschäftsführend übernimmt. Sie betrachten Wickremesinghe als Verbündeten des geflohenen Präsidenten und machen ihn gleichermaßen für die Wirtschaftsmisere verantwortlich. Die ordentliche Wahl des neuen Staatschefs unter den Abgeordneten des Parlamentes ist für den 20. Juli vorgesehen.

Tausende Demonstranten zogen am Mittwoch zum Büro Wickremesinghes und forderten ihn zur Aufgabe auf, wie auf Fernsehbildern zu sehen war. Andere versammelten sich vor dem Gebäude des staatlichen Rundfunks. Den Berichten zufolge setzte die Polizei Tränengas gegen die Demonstranten ein.

Angesichts der Krise hat die Regierung unter anderem den Internationalen Währungsfonds sowie Indien, China, Russland und andere Länder um Hilfe gebeten. Das UN-Nothilfebüro warnte im Juni, die schwere Wirtschaftskrise könne eine sich anbahnende Hungerkrise in Sri Lanka noch zusätzlich verschärfen. Das Land war zuvor zehn Jahre lang auf einem guten Entwicklungsweg und kam ohne humanitäre UN-Hilfe aus.

(rt/dpa)

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