Der pakistanische Premierminister Imran Khan hat überraschend vorgezogene Wahlen angekündigt. Zuvor hatte der stellvertretende Parlamentssprecher unerwartet am Sonntag ein Misstrauensvotum gegen Khan als verfassungswidrig zurückgewiesen und es nicht durchgeführt.
Die PTI-Partei von Khan verlor letzte Woche ihre Mehrheit in der Nationalversammlung, als sieben Abgeordnete ihres Koalitionspartners entschieden, sich der Opposition anzuschließen. Die Kontrahenten des Premierministers beharrten darauf, dass sie dadurch eine reale Chance hätten, Khan, der seit 2018 im Amt ist, zu entmachten.
Doch der stellvertretende Parlamentspräsident Qasim Khan Suri erklärte den Misstrauensantrag der Opposition überraschend für ungültig und begründete dies mit "Einmischung aus dem Ausland". Imran Khan, der behauptet, es gebe eine von den USA angeführte "internationale Verschwörung", um ihn zu stürzen, wandte sich anschließend in einer Fernsehansprache an die Nation und forderte die Bürger auf, sich "auf Wahlen vorzubereiten". An die Bevölkerung gerichtet, sagte er:
"Sie werden über die Zukunft dieses Landes entscheiden, nicht die Korrupten oder die Ausländer."
Die Opposition will die Entscheidung zum Misstrauensvotum allerdings nicht hinnehmen und verkündete gleich nach der Videoansprache, einen Sitzstreik im Parlament abhalten zu wollen. Wenig später spitzte sich die innenpolitische Lage weiter zu. Der pakistanische Präsident Arif Alvi löste das Parlament des Landes auf. Alvi habe dem Rat des Premierministers Imran Khan zugestimmt, die Nationalversammlung aufzulösen, hieß es in einer Erklärung des Sekretariats des Präsidenten am Sonntag. Die Opposition will nun den Obersten Gerichtshof in der Sache anrufen.
Während innenpolitisch derzeit ein Machtkampf ausgetragen wird, meldete sich am Samstag der einflussreiche Oberbefehlshaber der pakistanischen Armee, General Qamar Javed Bajwa, zu Wort und deutete den Wunsch zu einer Kurskorrektur in der Außenpolitik an. Er erklärte, sein Land unterhalte "ausgezeichnete" Beziehungen zu den Vereinigten Staaten und wolle diese ausbauen, ohne die ebenfalls wichtigen strategischen Beziehungen zu China zu gefährden. General Bajwa erklärte auf einem Sicherheitsforum in Islamabad:
"Wir haben eine lange und ausgezeichnete strategische Beziehung zu den USA, die nach wie vor unser größter Exportmarkt sind."
Pakistan unterhalte auch enge strategische Beziehungen zu China, "was sich in unserem Bekenntnis zu dem pakistanisch-chinesischen Wirtschaftskorridor zeigt", so der pakistanische Armeechef weiter. Man wolle die Beziehungen zu beiden Ländern vertiefen und auszubauen, "ohne das Verhältnis zu dem jeweils anderen Land zu gefährden", so der Armeechef weiter.
In seiner Rede wich der General insbesondere von der Neutralitätsposition des Premierministers Khan in Bezug auf den russisch-ukrainischen Konflikt ab. Er erkannte zwar die "legitimen Sicherheitsbedenken Russlands" an, betonte jedoch, dass Moskaus "Aggression gegen ein kleineres Land nicht geduldet werden kann".
"Pakistan hat stets einen sofortigen Waffenstillstand und die Einstellung der Feindseligkeiten gefordert. Wir unterstützen den sofortigen Dialog zwischen allen Seiten, um eine dauerhafte Lösung für den Konflikt zu finden", erklärte Bajwa und fügte hinzu, dass die "russische Invasion gegen die Ukraine ... eine große Tragödie ist, die sofort beendet werden muss."
Premierminister Khan hatte in den vergangenen Wochen wiederholt behauptet, dass eine "vom Ausland unterstützte Verschwörung" hinter dem Versuch stehe, ihn zu stürzen, und wies darauf hin, dass diese mit ausländischen Geldern in Millionenhöhe finanziert werde und "unser Volk benutzt wird".
Er deutete an, dass seine Weigerung, sich den USA und der NATO bei der Verurteilung der russischen Militäroperation in der Ukraine anzuschließen, der Auslöser für dieses Komplott gewesen sei.
Informationsminister Fawad Ahmed Chaudhry behauptete am Freitag, die Sicherheitsbehörden des Landes würden von einem Attentatsplan auf Khan berichten, was bereits die zweite Behauptung dieser Art in dieser Woche war. PTI-Chef Faisal Vawda hatte zuvor behauptet, Khans Weigerung, "das Land zu verkaufen", stecke hinter dem Vorhaben, ihn töten zu lassen.
Pakistan blickt auf eine lange Geschichte von Staatsstreichen zurück und stand fast die Hälfte seines Bestehens unter Militärherrschaft. Kein pakistanischer Premierminister hat jemals eine volle Amtszeit vollendet. Khan soll sich zudem mit der einflussreichen Militärspitze zerstritten haben.
Die Opposition wiederum warf Khan schlechte Regierungsführung und Inkompetenz in Wirtschaftsfragen vor. Zuletzt waren die Preise für Lebensmittel, Benzin oder Gas in dem Land mit rund 220 Millionen Einwohnern massiv gestiegen.
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