UNO: Islamischer Staat breitet sich in Afghanistan aus

Die Terrorgruppe Islamischer Staat breitet sich in Afghanistan aus. Sie hat sich in fast allen Provinzen des Landes etabliert und ihre Angriffe im vergangenen Jahr mehr als verfünffacht, warnt die UN-Beauftragte für Afghanistan.

Deborah Lyons, die UN-Sonderbeauftragte für Afghanistan, sprach am Mittwoch vor dem UN-Sicherheitsrat. Sie berichtete von einem starken Vormarsch des Islamischen Staates (IS) in dem vom Krieg zerrissenen Land und sagte, die dschihadistische Gruppe habe sich nun landesweit ausgebreitet. Lyons erklärte:

"Einst auf einige wenige Provinzen und die Hauptstadt beschränkt, scheint der IS-K nun in fast allen Provinzen präsent und zunehmend aktiv zu sein."

Sie bezog sich dabei auf die in Afghanistan ansässige "Khorasan"-Fraktion der Gruppe, benannt nach einer Region des Landes. Lyons fügte hinzu, dass der IS im Jahr 2021 bisher 334 Anschläge verübt hat, im vergangenen Jahr waren es nur 60.

Die Äußerungen der Gesandten erfolgten nur wenige Stunden nach einem erneuten Bombenanschlag des IS in einem schiitischen Viertel der afghanischen Hauptstadt Kabul. Laut Reuters sind bei dem Attentat ein Mensch getötet und sechs weitere verwundet worden.

Seit die Taliban nach dem chaotischen Abzug der USA und dem völligen Zusammenbruch der von Washington unterstützten Regierung in Kabul im Sommer dieses Jahres die Herrschaft im Land übernommen haben, haben sie sich bemüht, die IS-Terrorgruppe in Schach zu halten, so Lyons. Obwohl die Taliban darauf beharrten, eine "konzertierte Kampagne" gegen den IS zu führen und sich "ernsthaft bemühten, sich als Regierung zu präsentieren", scheine sich ihre Reaktion "stark auf außergerichtliche Verhaftungen und Tötungen zu stützen", stellte die UNO-Beamtin fest.

Trotz der Zunahme der IS-Anschläge seit dem Ende der zwei Jahrzehnte andauernden Präsenz der USA im Land habe sich die Sicherheitslage in Afghanistan in den vergangenen Monaten insgesamt jedoch verbessert, so Lyons weiter.

Neben der Terrorismusproblematik nannte die UN-Vertreterin für die kommenden Monate auch allgemeinere Befürchtungen für das Land. Sie warnte vor einer drohenden "humanitären Katastrophe", die auf eine ganze Reihe von Ursachen zurückzuführen sei, darunter ausländische Sanktionen, die das örtliche Bankensystem lahmgelegt hätten sowie eine zunehmende Lebensmittelknappheit aufgrund einer scheiternden Wirtschaft.

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