Ein Expertenteam wurde in den südindischen Bundesstaat Kerala entsandt, um die Ärzte vor Ort zu unterstützen, nachdem Proben eines verstorbenen Kindes einen positiven Nipah-Befund ergeben hatten. Der Junge hatte Symptome einer Enzephalitis beziehungsweise Myokarditis gezeigt, also einer Gehirnhaut- und einer Herzmuskelentzündung, bevor er am Sonntag verstarb. Bisher wurde bei elf Menschen in Kerala das seltene Virus diagnostiziert, darunter die Eltern des Jungen, seine Verwandten und einige der Mediziner, die ihn behandelt hatten. Mehr als 250 Personen wurden zudem durch die Rückverfolgung von Kontakten identifiziert. 54 davon fallen in die Hochrisikokategorie und wurden aufgefordert, sich in Selbstisolation zu begeben.
Wie gefährlich ist Nipah?
Im Vergleich zu anderen Viren wie SARS-CoV-2 ist das Nipah-Virus zwar deutlich tödlicher, dafür aber wesentlich weniger ansteckend. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO beträgt die Sterblichkeitsrate beim Nipah-Virus zwischen 40 und 75 Prozent, je nachdem, wie gut das Gesundheitssystem in der Region aufgestellt ist. Nipah verursacht eine akute Atemwegsinfektion, die von Fieber, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen, Erbrechen und Halsschmerzen begleitet wird. In schweren Fällen entwickelt sich eine Enzephalitis, die zu Koma und Tod führen kann. Die Inkubationszeit beträgt etwa fünf bis 14 Tage. Da Symptome teilweise erst sehr spät auftreten, ist Nipah schwer zu erkennen, was häufig zu Verzögerungen bei der Durchführung von Bekämpfungsmaßnahmen und zu einer Verbreitung des Virus führen kann.
Woher kommt das Virus?
Das Virus hat seinen Namen von dem malaysischen Dorf Nipah, in dem 1999 der erste Ausbruch unter Schweinezüchtern aufgetreten war. Im Malaysia gab es seitdem keine neuen Fälle mehr, doch in Bangladesch kommt es seit 2001 immer wieder zu Ausbrüchen. Auch in Indien tritt das Virus immer wieder auf. Als Wirt des Virus gelten Flughunde, die in Süd- und Südostasien große Kolonien in den Baumkronen bilden. Vor allem durch Veränderungen in den Lebensbedingungen der Flughunde, die zum Beispiel durch Waldrodungen verursacht werden, kommen Menschen in den betroffenen Gebieten verstärkt in Kontakt mit den Tieren.
Wie wird das Virus verbreitet?
Das Virus wird über Zwischenwirte wie Schweine, Pferde oder Ziegen und andere Nutztiere verbreitet. Vor allem über Speichelreste und Ausscheidungen der Flughunde können diese in Kontakt mit dem Virus kommen und dieses dann auf den Menschen übertragen. Allerdings können sich Menschen auch ohne Zwischenwirt infizieren: Möglich ist dies durch den Verzehr von Früchten oder des rohen Saftes der Dattelpalme, die durch den Speichel und den Urin kranker Flughunde verunreinigt wurden. Das Virus kann durch engen Kontakt wie Sekrete und Ausscheidungen auch von Mensch zu Mensch übertragen werden. Deshalb erkranken meist Angehörige der Infizierten und das medizinische Personal, das sie betreut, als Erste. Bei einem früheren Ausbruch in Kerala im Jahr 2018 lag die sogenannte Reproduktionszahl, die angibt, wie viele Menschen eine erkrankte Person im Durchschnitt infizieren könnte, bei 0,43. Zum Vergleich: Bei SARS-CoV-2 liegt der Wert bei über 1. Ein Wert von unter 1 bedeutet, dass sich epidemische Ausbrüche eines Virus mit der Zeit totlaufen, eine weltweite Verbreitung des Nipah-Virus ist derzeit also eher unwahrscheinlich.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Nach Ansicht der WHO gehört Nipah mit zu den Erregern, die am dringendsten erforscht werden müssen, da sie die öffentliche Gesundheit gefährden. Dennoch gibt es derzeit keine zugelassenen Medikamente oder Impfstoffe, die gegen das Virus wirken. Die WHO empfiehlt lediglich eine Intensivbehandlung für diejenigen, die unter schweren respiratorischen und neurologischen Komplikationen leiden. Die indischen Behörden haben mittlerweile monoklonale Antikörper aus Australien bestellt, die bei der Eindämmung eines Ausbruchs vor drei Jahren geholfen haben sollen. Einige Mediziner haben auch festgestellt, dass das antivirale Medikament Ribavirin die Viruslast bei Nipah-Patienten wirksam reduziert. Auch der Ebola-Wirkstoff Remdesivir soll sich in Tierversuchen als vielversprechender Kandidat gegen das Nipah-Virus erwiesen haben, weitere Untersuchungen dazu stehen jedoch noch aus.
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