Der anfängliche Schock, der die Afghanen über die Machtübernahme durch die Taliban überrumpelte, hat sich nahezu verflüchtigt. Die Menschen in den Straßen von Kabul scheinen nicht mehr so verängstigt wie früher. Ein Grund dafür ist sicherlich die großangelegte PR-Kampagne der radikalislamischen Miliz, mit der sie ihr Image als blutrünstige Wilde bekämpft, das sie seit ihrer vorigen Machtübernahme in Kabul Mitte der 1990er Jahre verfolgt.
Vor allem wird von der Leitung der Taliban die totale Amnestie betont, die für Afghanen gelte, die mit den Organen der vorigen Regierung oder den westlichen Militärs zusammengearbeiteten. Diese Kampagne ist offensichtlich notwendig: Den Taliban scheinen zum Aufbau eines funktionierenden Staats- und Verwaltungsapparates schlicht die Hände zu fehlen – und sie sind zu diesem Zweck dringend auf die Mitarbeit der Bevölkerung angewiesen. Und die Kampagne scheint auch zu wirken: Bereits jetzt ertönt seitens der Bevölkerung Kritik an denjenigen gebildeten Afghanen, die das Land nun verlassen wollen; andere Stimmen erklären, von den Hinrichtungen und anderen Gräueln, die im TV oder im Internet behauptet werden, nichts gesehen zu haben.
Insgesamt also scheint der Plan der Taliban langsam aufzugehen. Ob ihre Kampagne zur Imageaufbesserung ehrlich gemeint ist – also ob sie sich wirklich um Veränderung ihrer selbst bemühen – bleibt indes nach wie vor abzuwarten.
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