Die Zeit bis Ende August wird nicht reichen, um alle in Afghanistan verbliebenen Bundesbürger und Afghanen, die für bundesdeutsche Institutionen gearbeitet hatten, rechtzeitig auszufliegen. Das hat Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) dem TV-Sender Bild live am Dienstag erklärt.
Maas sagte dem Sender zufolge:
"Wir werden in den verbleibenden Tagen dieser militärischen Evakuierungsaktion nicht alle aus Afghanistan rausbekommen können. Das gebietet die Ehrlichkeit, das zu sagen."
Die Bundesregierung stehe mit etwa 100 Bundesbürgern und deren Familien in Kontakt, die sich in dem Land noch aufhalten. Es werde versucht, sie "einigermaßen sicher an den Flughafen zu bringen, um sie dann auf eine unserer Maschinen zu verteilen".
Laut dem Außenminister benötigt niemand von den Betroffenen ein Visum oder eine Sicherheitsüberprüfung, um in die Bundesrepublik ausgeflogen zu werden. Maas sagte dem Sender außerdem, dass die USA die Evakuierungsaktion bis zum 31. August fortsetzen wollen. In Washington werde derzeit diskutiert, die Frist zu verlängern. Es sei schwierig abzuwägen, wie lange die Sicherheit der Menschen vor Ort noch gewährleistet werden kann.
Geheimes Gespräch CIA-Taliban
Die Zeit werde aber nicht reichen, so der Außenminister: "Und deshalb haben wir zusammen mit den USA und Großbritannien jetzt begonnen, Überlegungen anzustellen, wie auch nach der militärischen Evakuierung Leute aus Afghanistan rausgebracht werden können." Denn auch nach der militärischen Evakuierung müssten Menschen aus Afghanistan herausgebracht werden. Dafür müsse auch mit den Taliban verhandelt werden.
Maas gestand gegenüber dem Sender erneut ein, dass die Lage am Hindukusch falsch eingeschätzt worden war. Die Bundesregierung habe nicht damit gerechnet, dass Kabul so schnell von den Taliban eingenommen wird. Bislang seien 351 Bundesbürger mit ihren Familien ausgeflogen worden. Weitere 100 Deutsche würden in den kommenden Tagen folgen.
Unterdessen meldet die Washington Post, dass sich CIA-Chef William Burns geheim mit der Taliban-Führung getroffen habe. Während die westlichen Streitkräfte versuchen, so viele Menschen wie möglich vor dem letzten Augusttag auszufliegen, steige der Druck, mehr Zeit für die Luftbrücke aus Kabul auszuhandeln.
Die Länder, die in den letzten zehn Tagen rund 50.000 Menschen evakuiert haben, versuchen derzeit, die mit den Taliban vereinbarte Frist für den Abzug der ausländischen Truppen einzuhalten, so ein NATO-Diplomat gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. US-Politiker wie Adam Schiff von den Demokraten, Vorsitzender des Geheimdienstausschusses des Repräsentantenhauses, bezweifeln laut der israelischen Zeitung Haaretz, dass die Zeit ausreicht.
31. August als "rote Linie"
Berichten zufolge erklärte ein Taliban-Vertreter am Montag, dass die Frist nicht verlängert werde. Die ausländischen Militärs hätten auch nicht darum gebeten. Das Datum 31. August markiere eine "rote Linie".
Unterdessen hat der britische Verteidigungsminister Ben Wallace eine Fristverlängerung als "unwahrscheinlich" bezeichnet. Dem Sender Sky News sagte er: "Nicht nur wegen der Äußerungen der Taliban, sondern auch wegen der öffentlichen Erklärungen von Präsident Biden halte ich es für unwahrscheinlich." Die herannahende Frist erhöhe die Sicherheitsrisiken.
Wallace meinte, "dass nicht alle aus Afghanistan herauskommen werden". Aus seiner Sicht hängt das Schicksal der Evakuierungsmission nach dem 31. August vor allem von Washington und der aufständischen Gruppe ab: "Die beiden Personen mit der lautesten Stimme im Raum sind die USA und die Taliban."
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