In einer Serie von Tweets erklärte sich Vizepräsident Saleh am Dienstag zum Interimspräsidenten Afghanistans, nachdem Präsident Aschraf Ghani das Land seinem Schicksal überlassen hatte. Gemäß der afghanischen Verfassung stehe ihm diese Position "bei Abwesenheit, Flucht, Rücktritt oder Tod des Präsidenten" zu, sagte Saleh. Er halte sich zurzeit in Afghanistan auf und richte sich an alle Staats- und Regierungschefs, ihm ihre Unterstützung und Zustimmung zuzusichern.
Es sei sinnlos, sich jetzt mit US-Präsident Joe Biden über Afghanistan auseinanderzusetzen, schrieb Saleh in einem weiteren Tweet. Die Afghanen müssten beweisen, dass Afghanistan kein Vietnam sei und die Taliban "nicht einmal im Entferntesten" mit der Nationalen Front für die Befreiung Südvietnams, auch Vietcong genannt, vergleichbar seien. Saleh sagte ferner:
"Im Gegensatz zu den USA und der NATO haben wir unseren Mut nicht verloren und sehen enorme Möglichkeiten vor uns. Nutzlose Vorbehalte sind vorbei. Schließt euch dem Widerstand an."
Zuvor hatte Saleh nach dem Einmarsch der Taliban-Kämpfer in Kabul behauptet, sich "unter keinen Umständen" der Macht der Gruppierung zu fügen, die er als "Terroristen" bezeichnete. Er werde auch die Millionen von Menschen nicht enttäuschen, die auf ihn zugehört haben.
Bislang gibt es aber keine Anzeichen, dass die internationale Gemeinschaft dem Aufruf Saleh's folgen und ihn als legitimen Übergangspräsidenten Afghanistans anerkennen würde.
Am Sonntag waren die Taliban-Milizen in der afghanischen Hauptstadt Kabul kampflos einmarschiert, woraufhin die Vertreter der Regierung aus dem Land geflohen waren. Präsident Ghani setzte sich ebenfalls noch am selben Tag ins Exil ab, um "weiteres Blutvergießen zu verhindern", wie er den Schritt später selbst begründete. Sein genauer Aufenthaltsort blieb zunächst unbekannt. Nach verschiedenen Schätzungen könnte Ghani in Tadschikistan, Usbekistan oder Oman untergetaucht sein.
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