NATO ruft Taliban zu politischer Lösung auf

Ein NATO-Vertreter hat erklärt, das Militärbündnis schätze den Vormarsch der Taliban als besorgniserregend ein. Dennoch gibt es keine Zeichen dafür, dass der Abzug der westlichen Truppen infrage gestellt wird. Der Verantwortliche sagte, die Islamisten müssten eine politische Lösung anstreben.

Die westliche Militärallianz NATO hat erklärt, dass sie die Offensive der islamistischen Taliban in Afghanistan als besorgniserregend bewertet. Zuletzt hatten die Taliban neun Provinzhauptstädte erobert. Sie kontrollieren laut Berichten inzwischen bis zu 65 Prozent des Landes, darunter etwa auch das Grenzgebiet zu den zentralasiatischen Nachbarstaaten.

Das mutmaßlich hohe Maß an Gewalt der Taliban bei ihrer Offensive, darunter angebliche Angriffe auf Zivilisten und Berichte über Menschenrechtsverletzungen, sehe man mit "tiefer Sorge", teilte ein Vertreter des Militärbündnisses der Deutschen Presse-Agentur mit. Die Taliban müssten ihm zufolge verstehen, dass die internationale Gemeinschaft sie nie anerkennen werde, wenn sie den politischen Prozess verweigerten und das Land mit Gewalt erobern wollten. Er forderte die Taliban zu einer politischen Lösung auf:

"Sie müssen ihre Angriffe beenden und redlich an Friedensgesprächen teilnehmen."

Der Bürgerkrieg in Afghanistan zwischen den Taliban und der Regierung in Kabul lasse sich nicht militärisch lösen, hieß es weiter. Ein Friedensprozess unter afghanischer Führung müsse eine Waffenruhe und eine politische Lösung vorantreiben. Dieser müsse insbesondere die Menschenrechte von Frauen, Kindern und Minderheiten wahren sowie sicherstellen, dass Afghanistan "nie wieder zum sicheren Hafen für Terroristen" wird. Die NATO rufe alle regionalen Akteure dazu auf, konstruktiv dazu beizutragen, da alle von einem sicheren und stabilen Afghanistan profitieren würden.

Zeitgleich zum Beginn des Abzugs der westlichen Truppen aus dem Bürgerkriegsland Anfang Mai starteten die Taliban eine Offensive gegen die Regierungstruppen. Diese verläuft bisher für die islamistische Gruppe äußerst erfolgreich.

Trotz des alarmierenden Vormarsches der Taliban hat die deutsche Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan verteidigt. Auch die USA halten derzeit an ihren Abzugsplänen fest. Das Weiße Haus und das Pentagon betonen immer wieder, dass der Kampfeinsatz der US-Truppen in Afghanistan wie geplant in rund drei Wochen enden wird. Die Taliban hatten bereits seit 1996 bis zur US-geführten Invasion im Jahr 2001 weite Teile Afghanistans unter ihrer Kontrolle.

(rt/dpa)