Afghanistan: 1.000 Regierungssoldaten fliehen über Grenze – Taliban rücken auf mehreren Fronten vor

Ungeachtet kleiner Erfolge verschlechtert sich die militärische Lage für die Regierung in Kabul immer weiter. Laut Berichten soll es den Taliban gelungen sein, binnen 24 Stunden weitere 13 Provinzen zu erobern - teilweise ohne Gegenwehr.

Bei einem Luftangriff in Nordafghanistan sind am Montag 15 Taliban-Kämpfer getötet worden. Das berichtete die Nachrichtenagentur Xinhua unter Berufung auf einen Sprecher der afghanischen Armee. Die Taliban-Kämpfer hätten sich an Operationen beteiligt, deren Ziel es ist, die Provinzhauptstadt Kundus einzunehmen. 

Auf einen Hinweis hin hätten Kampfflugzeuge der afghanischen Regierungstruppen am frühen Montagmorgen Taliban-Kämpfer angegriffen, die sich außerhalb von Kundus versammelt hatten. Dabei seien 15 Aufständische getötet worden, sagte der Sprecher Abdul Hadi Nazari. Außerdem seien eine Reihe von Waffen und Munition der Kämpfer zerstört worden.

Die Taliban, die bereits fünf von neun Bezirken der belagerten Provinz Kundus kontrollieren und versuchen, die Hauptstadt Kundus einzunehmen, äußerten sich dazu bisher nicht.

Die Kämpfe in Afghanistan haben sich seit dem Beginn des Abzugs der US-geführten Streitkräfte am 1. Mai intensiviert. Laut Berichten sind die Taliban landesweit auf dem Vormarsch und haben in den vergangenen 24 Stunden 13 weitere Provinzen besetzt. Damit befinden sich 110 von 370 Provinzen des Landes unter ihrer Kontrolle.

Unter dem Ansturm der Taliban sollen derweil mehr als 1000 afghanische Soldaten und Offiziere ins benachbarte Tadschikistan geflohen sein. Das Pressezentrum der Grenztruppen des tadschikischen Staatskomitees für nationale Sicherheit teilte dazu am Montag mit:

"Unter Berücksichtigung des Prinzips über eine gute Nachbarschaft und unter Wahrung der Position einer Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten der Islamischen Republik Afghanistan durfte das Militärpersonal der afghanischen Streitkräfte tadschikisches Territorium betreten."

Die Grenze zwischen Afghanistan und Tadschikistan wird von den tadschikischen Grenztruppen kontrolliert. Insgesamt treffen die Taliban auf eine schwache Gegenwehr der Regierungstruppen.  Der afghanische Provinzpolitiker Mohib-ul Rahman erklärte, dass es den Taliban gelungen sei, das Gebiet in Badachschan im Nordosten des Landes einzunehmen, ohne kämpfen zu müssen. Die Soldaten, die schlecht ausgerüstet seien, hätten kaum Kampfmoral. 

Den Taliban-Kämpfern gelang es ebenfalls, Gebiete im Süden des Landes einzunehmen. Regierungstruppen sollen sich nach schweren Kämpfen aus dem strategisch wichtigen südlichen Bezirk Pandschwai zurückgezogen haben, wie die Agentur AFP den Bezirksgouverneur Hasti Mohammed zitierte. Ein Vertreter der Grenzpolizei erklärte, dass dort nur Polizisten gegen die Taliban kämpfen würden. Die besser ausgerüstete Armee habe sich gar nicht an den Kämpfen beteiligt.

In der westlichen Provinz Herat sollen bei einem Angriff auf einen Regierungsposten mindestens 16 Soldaten getötet worden sein, berichteten Mitglieder des örtlichen Rates.

In einem Interview mit der russischen Agentur RIA erklärte der nationale Sicherheitsberater Hamdullah Mohib, dass die Regierung nicht mit einer solchen Offensive der Taliban gerechnet habe. Es werde aber "absolut, definitiv" eine Gegenoffensive geben.

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