Laut den aktuellen Zahlen indischer Gesundheitsbehörden entwickelt sich Indien zum neuen Epizentrum der Corona-Krise. Laut dem britischen Nachrichtensender Sky News meldeten die Gesundheitsbehörden am Sonntag 349.691 neue positiv Getestete im Land. Auch die gemeldeten 2.767 Todesfälle im Zusammenhang mit COVID-19 sind ein weiterer "Tagesrekord". Die Zahlen veranlassen immer mehr wohlhabende Inder dazu, dass Land zu verlassen, bevor Reisebeschränkungen in Kraft treten. Vielfach mieten sie dafür teure Privatjets an, um sich aus dem Land bringen zu lassen.
Ein beliebtes Ziel für diejenigen, die es sich leisten können, sind die Vereinigten Arabischen Emirate, die nur wenige Flugstunden entfernt sind. Allerdings kündigte die Regierung in Abu Dhabi an, dass sie ab dem 25. April für 10 Tage die Einreise aus Indien verbieten werde, wie die Nachrichtenseite Gulf News berichtete. Ein Sprecher des Charterunternehmens Air Charter Service India sagte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP, dass das Interesse an Privatjets "absolut verrückt" sei.
"Wir haben 12 Flüge, die morgen nach Dubai gehen, und jeder Flug ist komplett ausgebucht", sagte der Sprecher am Freitag laut The Economic Times. Enthral Aviation, ein anderer Anbieter von Privatjets, erklärte, er sei in den letzten Tagen von Hunderten von Anfragen überwältigt worden.
"Wir haben mehr Flugzeuge aus dem Ausland angefordert, um die Nachfrage zu befriedigen ... Es kostet 38.000 Dollar, um einen 13-sitzigen Jet von Mumbai nach Dubai zu mieten und 31.000 Dollar, um ein sechssitziges Flugzeug zu mieten."
Und weiter: "Die Leute bilden Gruppen und arrangieren sich, um unsere Jets zu teilen, nur um einen Sitzplatz zu bekommen ... Wir hatten einige Anfragen für Thailand, aber die größte Nachfrage besteht für Dubai." Laut der Times waren in den letzten 24 Stunden mindestens acht Privatjets von Indien nach Großbritannien geflogen, bevor die Einreisesperre Großbritanniens in Kraft tritt. Es wird geschätzt, dass eine Reise mehr als 138.000 US-Dollar (ca. 115.000 Euro) gekostet haben könnte.
Internationale Hilfsangebote
Indien ist mit einer unerwarteten und verheerenden zweiten Coronavirus-Welle konfrontiert. Ein schockierendes Video der BBC, das am Donnerstag veröffentlicht wurde, zeigte Menschen, die auf Bahren sterben, während sie vor einem Krankenhaus auf Hilfe warten. Der folgend Ausschnitt aus dem Video enthält verstörende Bilder:
In Neu-Delhi, das besonders stark betroffen ist, stirbt angeblich alle vier Minuten ein Mensch an COVID-19. Die US-Regierung erklärte am Samstag, sie sei ernsthaft besorgt über die sich verschlimmernde Situation im Land und führe Gespräche auf höchster Ebene, um zusätzliche Hilfe für die indischen Gesundheitskräfte bereitzustellen.
"Unsere Herzen sind bei dem indischen Volk inmitten des schrecklichen COVID-19-Ausbruchs", sagte US-Außenminister Antony Blinken auf Twitter. "Wir arbeiten eng mit unseren Partnern in der indischen Regierung zusammen und werden schnell zusätzliche Unterstützung für die Menschen in Indien und die Helden des indischen Gesundheitswesens bereitstellen."
Auch Deutschland bot seine Hilfe an. Bundesaußenminister Heiko Maas sagte am Montag gegenüber der Rheinischen Post:
"Innerhalb der Bundesregierung und im Gespräch mit Unternehmen setzen wir deshalb gerade alle Hebel in Bewegung, um schnellstmöglich, etwa mit Sauerstoff und Medikamenten, unterstützen zu können."
Deutschland und weitere Länder haben die Einreise aus Indien wegen der dortigen Virusvariante stark eingeschränkt. "Es war richtig, dass wir schnell gehandelt haben, um den Eintrag der neuen Mutation nach Deutschland zu stoppen", betonte Maas. Genauso wichtig sei es jetzt aber, Indien nach Kräften zu unterstützen. Im gemeinsamen Kampf gegen das Coronavirus habe das Land eine zentrale Rolle übernommen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bot Indien am Sonntag Hilfe an. "Der Kampf gegen die Pandemie ist unser gemeinsamer Kampf", erklärte sie laut ihrem Regierungssprecher. "Deutschland steht Seite an Seite in Solidarität mit Indien. Wir bereiten so schnell wie möglich eine Unterstützungsmission vor." Der EU-Kommissar für Krisenmanagement, Janez Lenarčič, erklärte, Brüssel habe auf Wunsch Indiens bereits den Zivilschutzmechanismus aktiviert und werde bei der Versorgung mit Sauerstoff und Medikamenten helfen.
Auch Italien und andere Länder schränkten die Einreise aus Indien ein. Der Chef der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament Manfred Weber forderte die Einstellung aller Flugverbindungen in die EU. "Einige COVID-Fälle mit der indischen Mutante sind bereits in Deutschland und der EU aufgetreten. Diesmal müssen die EU-Innenminister schneller und konsequenter handeln und sofort ein vorübergehendes Verbot von Flügen aus Indien und Einreisebeschränkungen verhängen", sagte der CSU-Politiker gegenüber der Bild-Zeitung am Sonnabend.
Die indische Variante B.1.617 steht bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) unter Beobachtung. In Deutschland ist diese Variante bislang kaum aufgetreten. Bis Freitag soll sie bundesweit in 25 Fällen nachgewiesen worden sein. Indien hat gut 1,3 Milliarden Einwohner, das Gesundheitssystem des Schwellenlandes ist völlig überlastet. Es fehlt an Betten, antiviralen Medikamenten und medizinischem Sauerstoff. Krankenhäuser wie das Pentamed Hospital in Neu-Delhi senden immer wieder Hilferufe wegen Sauerstoffmangel. Premierminister Narendra Modi sagte in einer Rundfunkansprache, die Regierung tue alles, um die Einzelstaaten im Kampf gegen COVID-19 zu unterstützen.
Pakistan bot seinem "Erzrivalen" die Lieferung medizinischer Güter an. Als eine "Geste der Solidarität" mit der indischen Bevölkerung wolle man Beatmungsgeräte, digitale Röntgengeräte, Schutzkleidung und andere Ausrüstung bereitstellen, teilte das pakistanische Außenministerium am späten Samstagabend mit. Saudi-Arabien liefert 80 Tonnen Flüssigsauerstoff nach Indien.
Auch Großbritannien kündigte am Sonntag eine Hilfslieferung von Hunderten Beatmungsgeräten und Sauerstoffkonzentratoren an, die im Laufe der Woche in Neu-Delhi eintreffen sollen. "Wir stehen Seite an Seite mit Indien als Freund und Partner während einer äußerst besorgniserregenden Zeit im Kampf gegen COVID-19", erklärte der britische Premierminister Boris Johnson.
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