Asien

Südkorea: Verschärfung der Corona-Maßnahmen – kein Musterland für die Pandemie-Bekämpfung?

Die südkoreanische Regierung hat die Corona-Maßnahmen verschärft. Gesundheitsminister Park fordert alle Bürger auf, Treffen möglichst zu vermeiden. Zahlen belegen: Die soziale Isolation hat deutliche Auswirkung auf die Selbstmordrate und Depressionen in Südkorea.
Südkorea: Verschärfung der Corona-Maßnahmen – kein Musterland für die Pandemie-Bekämpfung?Quelle: AFP © Ed Jones/AFP

Am 17. November gab die südkoreanische Regierung bekannt, dass die Corona-Maßnahmen mit sofortiger Wirkung verschärft werden. Begründet wurde dieser Schritt mit den steigenden Corona-Befunden: Mehrere Tage in Folge wurde die Zahl von 200 Corona-Befunden überschritten. Insgesamt wurden in Südkorea 28.998 Corona-Befunde gezählt, und 494 Todesfälle werden der COVID-19-Erkrankung zugeschrieben (laut Zahlen der Johns Hopkins University, Stand: 17. November 2020).

Südkoreas Premierminister Chung Sye-kyun verteidigt die Ausweitung der Corona-Maßnahmen:

Unsere Erfolge im Kampf gegen das Coronavirus stehen nun vor einer Krise – die Situation ist besonders ernst im Großraum Seoul. Die Ausweitung der sozialen Distanzregeln – selbst wenn es nur eine leichte ist – wird unseren Bürgern größere Unannehmlichkeiten in ihrem täglichen Leben bescheren, und besonders für die kleinen Geschäftstreibenden wird die Belastung wachsen. Aber wir alle wissen aus der Erfahrung, dass sich die Krise vergrößern wird, wenn wir nicht sofort handeln.

Die eingeführten Maßnahmen betreffen das öffentliche Leben in Südkorea – insbesondere solche Einrichtungen, die als sogenannte "Spreader"-Orte klassifiziert werden – wie etwa Bars, Restaurants oder Sportanlagen. Ab dem Abend des 17. November sind öffentliche Veranstaltungen auf eine Maximalzahl von 100 Personen limitiert – unter strikter Einhaltung der Maskenpflicht und des Sicherheitsabstandes. Religiöse Einrichtungen dürfen sich mit maximal 30 Prozent ihrer Besucherkapazität füllen. In Schulklassen dürfen nur noch zwei Drittel der Schüler Platz nehmen. Nach dem landesinternen Ranking entsprechen die neu etablierten Einschränkungen der Stufe 1.5 einer fünfstufigen Skala, bislang war die Stufe 1 in Kraft.

Der südkoreanische Gesundheitsminister Park Neung-hoo fordert alle Bürger Südkoreas auf, ihre sozialen Kontakte einzuschränken:

Die aktuelle Situation ist sehr ernst und bedrohlich – insbesondere die Tatsache, dass sich die Menschen in ihrem Alltag infizieren und die Zahl der Fälle rapide ansteigt. […] Bitte tragt die Gesichtsmasken adäquat zu jeder Zeit, an jedem Ort und vermeidet Treffen zum Essen oder Trinken, wo die Teilnehmer ihre Masken absetzen müssen.

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Südkorea als "Musterland" der Corona-Bekämpfung?

Südkorea gilt bei Politikern und Medien im deutschsprachigen Raum als "Musterland" in der Corona-Bekämpfung. Insbesondere die strikte Zurückverfolgung der Kontakte von Erkrankten und die vollständige Aufhebung des Datenschutzes findet die Zustimmung bei den Befürwortern von Corona-Einschränkungen hierzulande. Jüngstes Beispiel ist der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD). Mit den nun angeordneten Einschränkungen bewegt sich Südkorea in die Richtung der europäischen Lockdown-Maßnahmen.

Statistiken aus Südkorea belegen, dass die Corona-Maßnahmen seit Anfang des Jahres ernste Auswirkung auf das Leben der Südkoreaner hatten: Die Meldungen von selbstverletzendem Verhalten sind im Vergleich zu 2019 um 36 Prozent gestiegen. Annähernd 600.000 Personen wurden in der ersten Jahreshälfte 2020 wegen Depressionen behandelt. Die Suizidrate ist im Vergleich zum Vorjahr um 5,8 Prozent angestiegen. Südkorea hatte laut den Zahlen der WHO bereits vor der Corona-Krise eine der weltweit höchsten Selbstmordraten (26,9 Suizide auf 100.000 Personen) – hier zum Vergleich die Zahlen der umliegenden Länder: Nordkorea (11,2), Japan (18,5), China (9,7).

Die Corona-Krise und die ergriffenen Gegenmaßnahmen treffen besonders junge Frauen. So sind sie die ersten, die in Krisensituationen entlassen werden. Seit Beginn des Jahres sind über 120.000 Südkoreanerinnen im Alter zwischen 20 und 30 Jahren arbeitslos worden. Jang Sook-rang, Professorin der Chung-Ang-Universität in Seoul kritisiert patriarchale Strukturen in Südkorea:

In unserer Gesellschaft sind männliche Arbeitskräfte noch immer die Hauptbeschäftigten. Frauen hingegen werden meist als überschüssige Hilfskräfte eingesetzt, die bei Bedarf arbeiten und jederzeit abgebaut werden können. Frauen sind hauptsächlich in der Dienstleistungsbranche tätig, und diese ist durch Corona am stärksten betroffen.

Die Selbstmordzahlen bei Frauen zwischen 20 und 30 Jahren sind in der ersten Jahreshälfte 2020 überproportional gestiegen. Sie sind nun fast 40 Prozent höher als im Vorjahr. In der Hauptstadt Seoul begingen Frauen dieser Altersgruppe fünfmal mehr Suizidversuche als andere Alters- oder Geschlechtsgruppen.

Laut der Politikerin Lee Eun-ju von der oppositionellen Gerechtigkeitspartei haben die Einschränkungen der sozialen Kontakte und die Isolation einen ernstzunehmenden Einfluss auf die Entstehung seelischer Not – bis hin zu suizidalem Verhalten. Sie nennt die Situation ein "soziales Desaster".

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Wenn Sie selbst depressiv sind, Selbstmord-Gedanken haben, kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge (www.telefonseelsorge.de). Unter der kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen können.

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