Das russische Verteidigungsministerium hat am Samstagmorgen bekanntgegeben, dass der Waffenstillstand in der südkaukasischen Region Bergkarabach entlang der ganzen Kontaktlinie befolgt werde. Generalmajor Igor Konaschenkow teilte auf dem Briefing in Moskau mit, dass die Konfliktparteien bei der Stadt Schuscha einen Austausch getöteter Soldaten begonnen hatten. Um mögliche Zwischenfälle zu vereiteln, stehe Russland mit den Generalstäben Armeniens und Aserbaidschans ständig in Kontakt.
Das aserbaidschanische Verteidigungsministerium bestätigte, mehrere getötete Soldaten an Armenien übergeben zu haben. Dabei handele es sich um Streitkräfte, die bei den Kämpfen um die von Aserbaidschan zurückeroberte Stadt Schuscha ums Leben gekommen seien. Im Gegenzug habe Armenien sechs getötete Soldaten an Aserbaidschan übergeben.
Die Behörden der international nicht anerkannten Republik Arzach gaben die Zahl der getöteten Soldaten zuletzt mit 1.383 an. Alina Nikogossjan, Sprecherin des armenischen Gesundheitsministeriums, gab bekannt, dass ihre Behörde bislang 2.317 Körper der gefallenen Armeeangehörigen forensisch untersucht habe. Darunter seien auch noch nicht identifizierte Leichen. Da der Austausch erst begonnen habe, sei die endgültige Zahl der Gefallenen bislang ungewiss. Das aserbaidschanische Militär machte bislang unter Berufung auf Kriegsrecht keine Angaben zu den Verlusten in den eigenen Reihen.
Inzwischen zeigten Aufnahmen aus dem Bezirk Kelbadschar der Republik Arzach, wie die Einwohner am Freitag vor der Übergabe des Territoriums an Aserbaidschan am 15. November ihre Häuser verließen. Auf Videos war unter anderem zu sehen, wie Menschen ihr Hab und Gut auf Fahrzeuge verluden, Bäume fällten, ihr Vieh an einen neuen Wohnort trieben und ihre Häuser in Brand setzten.
Am Montag hatten Russland, Armenien und Aserbaidschan ein trilaterales Abkommen über einen Waffenstillstand in Bergkarabach ab dem 10. November um Mitternacht unterzeichnet. Im Dokument wurden die Übergabe eines Teils des Territoriums der Republik Arzach an Aserbaidschan, aber auch die Stationierung russischer Friedenstruppen entlang der Kontaktlinie vereinbart. Die meisten von ihnen trafen bereits ein. Indes wurden zwölf Beobachtungsposten eingerichtet. Nach Angaben des russischen Militärs soll das Kontingent 1.960 Armeeangehörigen, 90 Transportpanzer sowie 380 Fahrzeuge zählen.
Der Bergkarabachkonflikt war ursprünglich im Februar 1988 ausgebrochen, als das Autonome Gebiet Bergkarabach mit überwiegend armenischer Bevölkerung seine Loslösung von Aserbaidschan angekündigt hatte. Im Laufe der bewaffneten Auseinandersetzungen, die von 1992 bis 1994 dauerten, verlor Baku die Kontrolle über Bergkarabach und sieben Anrainergebiete. Im Jahr 1994 unterzeichneten Aserbaidschan, Armenien und die Republik Bergkarabach (seit 2017 Republik Arzach) unter Vermittlung der Russischen Föderation ein Protokoll über einen Waffenstillstand. Trotzdem kam es wiederholt zu Kampfhandlungen.
Mehr zum Thema - Russlands Triumph? Der neue Status quo im Südkaukasus nach Ende des Konfliktes um Bergkarabach