Nach angeblichem Angriff: Jerewan beansprucht Recht, jedes Ziel innerhalb Aserbaidschans anzugreifen

Trotz eines Waffenstillstandes im Bergkarabach-Konflikt, den Russland vermittelte, werfen sich beide Seiten Verstöße gegen diesen vor. Um die Lage zu beruhigen, forderte der russische Außenminister Lawrow die Entsendung von russischen Friedenstruppen.

Armenien hat am Mittwoch behauptet, dass die aserbaidschanische Armee armenische Militärstellungen auf dem Gebiet Armeniens, also außerhalb der umstrittenen Region Bergkarabach, angegriffen hat. Als Reaktion auf diesen mutmaßlichen Angriff erklärte das armenische Verteidigungsministerium, dass das Land für sich beansprucht, jedes Militärziel auf aserbaidschanischem Gebiet anzugreifen.

Diese Behauptungen des Verteidigungsministeriums Aserbaidschans können keine Grundlage haben. Tatsächlich hat sich die militärische und politische Führung jenes Landes allein auf der Grundlage von Annahmen erlaubt, auf (militärische) Ausrüstung zu zielen, die sich auf dem Territorium der Republik Armenien befindet.

Gleichwohl erklärte Jerewan, dass zum jetzigen Zeitpunkt noch kein Angriff seitens Armeniens auf Ziele innerhalb aserbaidschanischen Territoriums stattgefunden hat.

Zuvor hatte das armenische Verteidigungsministerium behauptet, dass die Streitkräfte des Landes einen armenischen Su-25-Militärjet abgeschossen hätten. Diese Meldung wurde jedoch wenig später von Baku dementiert. Es hätte keine aserbaidschanischen Flugzeuge im armenischen Luftraum gegeben.

Derweil forderte der russische Außenminister Sergei Lawrow die Entsendung von russischen Friedenstruppen in die umstrittene Region Bergkarabach, um im Konflikt eine erneute Eskalation von Gefechten zu vermeiden. Russische Truppen sollen entlang der Front zwischen beiden Seiten stationiert werden, so Lawrow. Die Entscheidung dafür müsste jedoch in Baku und Jerewan getroffen werden. Lawrow betonte, dass es für den Konflikt eine politische Lösung geben müsse. Gestern hatte die Minsker Gruppe der Organisation für Zusammenarbeit und Sicherheit in Europa, die die Friedensbemühungen um Bergkarabach beaufsichtigt, beide Seiten dazu aufgefordert, die Implementierung des Waffenstillstandes sicherzustellen. Der aserbaidschanische Präsident Ilcham Alijew forderte unterdessen die Beteiligung der Türkei an den Friedensgesprächen. 

Der Bergkarabach-Konflikt geht auf den Anfang der 1990er Jahre zurück, als armenische Paramilitärs das zu Aserbaidschan gehörende Territorium, das jedoch mehrheitlich von Armeniern bewohnt wird, sowie einige umliegende Gebiete besetzten. Jahrzehntelang herrschte danach ein wackeliger Waffenstillstand. Es gab auf beiden Seiten immer wieder Verstöße. Im Jahr 2016 forderten viertägige Kämpfe Dutzende Tote auf beiden Seiten. Am 27. September dieses Jahres flammten großflächige Gefechte erneut auf, am 10. Oktober trat ein durch Russland vermittelter Waffenstillstand in Kraft.

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