Washington will sich von China abwenden: Indien rollt US-Firmen nun den roten Teppich aus

Neu-Delhi bemüht sich zurzeit, US-Unternehmen nach Indien zu locken, die nach Ansicht Washingtons China verlassen sollen. Medienberichten zufolge verspricht Indien unter anderem Lockerungen seiner Arbeitsgesetze und einen erleichterten Zugang zu Land.

Während die Handelsspannungen zwischen Washington und Peking wieder eskalieren, verstärkt Indien seine Bemühungen, mehr als 1.000 US-Unternehmen aus China anzulocken. Berichten zufolge bietet Neu-Delhi ihnen an, die Steuer- und Arbeitsgesetze zu lockern und einen leichteren Zugang zu ermöglichen.

Zu den Unternehmen, an die sich die indische Regierung wandte, gehören Hersteller medizinischer Geräte, Lebensmittelverarbeitungsbetriebe sowie Textil-, Leder- und Autoteilehersteller, berichtete Bloomberg unter Berufung auf indische Beamte. An den Gesprächen, die im April begannen und durch Übersee-Missionen eingerichtet wurden, sollen Medtronic Plc und der Pharmakonzern Abbott Laboratories beteiligt sein.

Indische Beamte sollen die Unternehmen darauf hingewiesen haben, dass Indien im Vergleich zu den USA billigere Arbeitskräfte zur Verfügung stellen könnte. Zwar wären die Produktionsgesamtkosten in Indien noch immer höher als in China, dennoch versprachen die indischen Vertreter einige Vergünstigungen, um die Geschäftstätigkeiten zu erleichtern.

So könne Neu-Delhi beispielsweise erwägen, die Einführung einer vorgeschlagenen Steuer auf digitale Transaktionen, die viele ausländische Firmen verärgerte, zu verschieben. Die Regierung könne auch spezifische Anträge auf Änderungen der Arbeitsgesetze in Betracht ziehen, so die Beamten.

Indien soll Berichten zufolge daran arbeiten, eine weitere Hürde zu beseitigen, die Investoren zögern ließ: die langen und komplizierten Verfahren beim Kauf von Land. Derzeit erschließt Indien eine Gesamtfläche von 461.589 Hektar für industrielle Zwecke – das entspricht der vierfachen Größe von Hongkong oder etwa der Hälfte des Territoriums von Zypern.

Die Meldung kommt zu einer Zeit, in der die Welt im Rahmen der Corona-Pandemie feststellen muss, wie sehr sie von China abhängig ist. Vor allem die USA suchen nach Möglichkeiten, ihre Lieferketten aus dem Land abzuziehen. US-Präsident Donald Trump beschuldigt China, Informationen über die Quelle des Coronavirus zu verbergen. Washingtons erneute Angriffe auf Peking lösten bereits Ängste vor einem weiteren Handelskrieg aus – nur wenige Monate, nachdem die beiden größten Volkswirtschaften der Welt einen Waffenstillstand in ihrem langjährigen Zollstreit ausgehandelt hatten.

Während Trump seit langem für die Rückkehr von US-Firmen in die USA eintritt, geht es bei dem neuen Ansatz offenbar eher darum, China fallen zu lassen, als die US-amerikanische Industrie nach Hause zu holen. Beamte sollen vor kurzem gegenüber Reuters erklärt haben, dass das Weiße Haus keine Einwände gegen den Umzug von US-Unternehmen in sogenannte freundlichere Länder haben werde, während Indien als einer der Partner genannt wurde, mit denen die US-Regierung zusammenarbeitet, um "die Weltwirtschaft voranzubringen".

Laut Außenminister Mike Pompeo geht es bei diesen Diskussionen auch um Möglichkeiten der Umstrukturierung von Lieferketten, "um zu verhindern, dass so etwas jemals wieder geschieht".

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