Uruguay: Präsidentschaftswahlen ohne klaren Sieger

Die Stichwahl um das Amt des Staatspräsidenten Uruguays endete in einem "technischen Patt" zwischen links und rechts. Das Wahlergebnis wird erst nach Abschluss der letzten Handauszählungen feststehen. Klar ist hingegen, dass das Land politisch "exakt halbiert" ist.

von Maria Müller, Montevideo

Am vergangenen Sonntag fand in Uruguay eine Stichwahl zwischen den beiden Präsidentschaftskandidaten Luis Lacalle Pou und Daniel Martínez statt. Keiner von beiden hatte sich in der Vorwahl am 27. Oktober durchsetzen können.

Nach den bisherigen Auszählungen erhielt der Kandidat der neoliberalen Farbenkoalition, Luis Lacalle Pou, nun 48,7 Prozent, während Daniel Martínez von der links-progressiven Breiten Front 47,5 Prozent der Stimmen erhielt. Die Distanz zwischen beiden beträgt 28.666 Stimmen. Diese Situation wird als technisches Patt bezeichnet, weil die Differenz kleiner oder gleich der statistischen Fehlerquote ist. Insgesamt beteiligten sich rund 2,6 Millionen Wahlberechtigte der 3,4 Millionen Einwohner Uruguays an dieser Pflichtwahl. Das Land ist kaum größer als die Schweiz.

Allerdings gibt es noch rund 80.000 Stimmen, die speziell überprüft werden müssen. Es handelt sich um 35.229 der "beobachteten" Wahlzettel, und um 52.000 bislang als "annulliert" gekennzeichneten Zettel, weil sie Beschädigungen aufzeigen oder aber zu nachgedruckten, gefälschten Stimmzetteln gehören. Am gestrigen Dienstag begann die Handauszählung, die wahrscheinlich bis Freitag andauert. Erst dann wird der endgültige Sieger feststehen.

Ein solches Wahlergebnis gab es bislang nicht in der Geschichte Uruguays. "Das Land ist politisch exakt halbiert", lauteten dann auch die Kommentare. Gleichzeitig betonten die Kandidaten den "hohen Standard an demokratischem Verhalten der Wählerschaft".

Wer auch von den beiden die Wahl letztlich gewinnt, ist sich bewusst, dass seine Regierung vor allem in der Lage sein muss, zu verhandeln und einen breiten Konsens in der Bevölkerung und im Parlament zu schaffen. Darauf deutet auch die größere Parteienvielfalt hin, die jeder Regierung Steine in den Weg legen kann. Ein schneller Durchgang großer Mehrheiten wird nicht mehr gewünscht.

Die Kandidaten

Der 56-jährige Ingenieur Daniel Martínez ist seit seiner Jugend Mitglied der sozialistischen Partei (PS 90), gründete die Gewerkschaft der staatlichen Ölraffinerie ANCAP, die er später drei Jahre lang als ihr Vorsitzender leitete. Er war Industrieminister unter dem derzeitigen Präsidenten Tabaré Vázquez, Senator und schließlich Bürgermeister der Hauptstadt Montevideo.

Luis Lacalle Pou, ein 46-jähriger Rechtsanwalt, ist der Präsidentschaftskandidat der rechten Partido Nacional (Nationalpartei). Er ist Sohn des ehemaligen Präsidenten Luis Alberto Lacalle (1990-1995) und der ehemaligen Senatorin Julia Pou (PN). Lacalle arbeitete ab dem Jahr 2000 als Abgeordneter und später als Senator in dem mit zwei Kammern ausgestatteten Parlament Uruguays. Allerdings zeigte er dort wenig Kooperationsbereitschaft, denn er votierte praktisch gegen alle Gesetzesvorlagen der Regierungspartei.

Strategien der beiden Lager für die Stichwahl

Luis Lacalle Pou bildete nach den Erstwahlen, bei denen er mit elf Prozent Abstand hinter Martínez landete, eine große Koalition mit fünf unterschiedlichen Parteien, die weitgehend dem mitte-rechts bis extrem rechten Parteienspektrum angehören. Vor allem die umstrittene Partei Cabildo Abierto (Offene Versammlung) des Ex-Generals Guido Manini sorgte für einen überraschenden Stimmenzuwachs von zehn Prozent, mit dessen Hilfe diese "bunte Koalition" die Linke überrunden sollte. Guido Manini wurde erst vor einem halben Jahr unehrenhaft von Präsident Vázquez entlassen. Er sieht sich einem laufenden Gerichtsverfahren gegenüber, weil er das Mordgeständnis eines Amtskollegen aus der Zeit der Diktatur dem Staats- und Regierungschef und zugleich Oberkommandierenden der Streitkräfte Vázquez vorenthalten hatte.

Die Koalitionspartner von Cabildo Abierto werfen Manini vor, dass er wenige Tage vor den Stichwahlen am Sonntag einen polemischen Videofilm ins Netz stellte, in dem er die Militärs auffordert, nicht die linke Parteienfront zu wählen. Er kündigte außerdem an, eine Partei aus Offizieren der Armee bilden zu wollen. Sein Spitzenkandidat für den Senat hatte auf Twitter dazu aufgerufen, ein Todesschwadron zu bilden, um "das Land zu säubern". Das ging selbst vielen seiner bisherigen Anhänger zu weit. Auch seitens der Koalitionspartner hagelte es Kritik, was die Brüchigkeit dieses Wahlbündnisses deutlich macht.

Die Pressemedien, vor allem die verschiedenen Fernsehsender, boten während der Wahlkampagne der rechten Koalition ausführlich Raum zur Selbstdarstellung, wohingegen sie die Erfolge der 15 Jahre progressiver Regierung möglichst verschwiegen. In den obligatorischen Interviews aller Kandidaten und Spitzenpolitiker des Parteienspektrums hinderten die Journalisten fast durchweg und auf aggressive Weise linke Politiker am Reden.

In den sozialen Netzen ging es im Wahlkampf ebenfalls hoch her. Doch hier hatten linke Aktivisten täglich den Raum, den rechten Akteuren Paroli zu bieten.

Die Kampagne der Linken: Stimme um Stimme

Trotz aller Hürden übernahm in der Zeit zwischen den beiden Wahlterminen das "Fußvolk" der Breiten Front weitgehend die Wahlkampagne. Jeder sollte eine Person davon überzeugen, die Frente Amplio zu wählen. Tausende unermüdlicher und kreativer Parteianhänger gingen von Haustür zu Haustür, verteilten Broschüren und Wahlzettel, sprachen mit den Unschlüssigen, organisierten Veranstaltungen, Bürgertreffen oder Konzerte in den Stadtvierteln und Dörfern, organisierten Auto-Karawanen, bemalten fast alle erreichbaren Mauern mit Parolen, oder schmückten ihre Fenster und Balkone mit den Fahnen der Frente Amplio.

So gewann die Links-Koalition in der Stichwahl 199.990 Stimmen dazu und erreichte das Patt mit dem Bündnis der fünf konservativen Parteien. Man muss erwähnen, dass auch ein Teil dieser Parteien nun die Breite Front wählten, da es im Bewusstsein ihrer Basis traditionelle Widersprüche untereinander gibt. Die Lage ist für alle politischen Akteure kompliziert, birgt jedoch auch die Möglichkeit eines breiten politischen Neuanfangs in sich. Auf jeden Fall zeigt die bisherige Mobilisierung, dass extreme Schritte der rechten Farbenkoalition auf einen breiten sozialen Widerstand stoßen werden.

Mehr zum Thema - Uruguay: Gesetzesentwurf gegen Wahlkampflügen im Internet