Wenn es um einen Regime Change in einem lateinamerikanischen Land im Sinne der US-Interessen geht, dann ist Marco Rubio an vorderster Stelle. So auch beim Putsch in Bolivien. Wie heimlich aufgenommene und im Oktober geleakte Audioaufnahmen belegen, traf sich der US-Senator mit bolivianischen Oppositionellen und ehemaligen Militärs, um über einen Putsch gegen Präsident Evo Morales zu beratschlagen.
Auch im Falle Venezuelas ist Rubio einer der lautesten Fürsprecher in den USA für einen Regime Change. Für Aufsehen sorgte der 48-Jährige, als er in einem Tweet seine Hoffnung zum Ausdruck brachte, dem venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro möge dasselbe Schicksal ereilen wie dem libyschen Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi, der nach einer US-geführten Intervention 2011 von einem Mob gelyncht wurde.
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Derzeit dürfte in Bolivien aus Rubios Sicht alles nach Plan laufen. Fast alles – denn der Republikaner moniert die Berichterstattung der Medien zur Krise in dem Andenland. Wer verstehen wolle, wie Russlands Präsident Wladimir Putin "Desinformation als Werkzeug der Außenpolitik" einsetze, der müsse die "aktuelle Berichterstattung über Bolivien studieren", so der Politiker in einem Tweet.
Laut Rubio werde dieses Werkzeug in drei Stufen eingesetzt: Erst produziere Moskau Fake News, die dann von einem "riesigen Netzwerk von Kanälen und Social Media-Akteuren" verbreitet würden, um schließlich Widerhall in den Mainstream-Medien zu finden.
Welche Fake News er genau meinte, ließ der Neokonservative in seinem über tausendmal kommentierten Tweet offen. Rubios frühere Einlassungen und seine Unterstützung für die bolivianische Opposition deuten jedoch darauf hin, dass er jene Medienberichterstattung meint, in der die unter militärischem Druck vollzogene Vertreibung von Morales aus dem Präsidentenamt korrekterweise als Putsch bezeichnet wird.
Rubios Interpretation sei "reine Projektion", kommentierte der Journalist Dan Cohen den Versuch des Putschunterstützers, jede ihm unliebsame Berichterstattung als russische Desinformation zu brandmarken.
Wenn Sie mit Marco Rubios verzerrter neokonservativer Version der Realität in Bezug auf Bolivien nicht einverstanden sind, dann verbreiten Sie vielleicht russische Desinformationen. Sehr praktisch", fügte die Journalistin Rania Khalek hinzu.
Rubio, der jüngst die Kontroverse um den Tod des Sexualstraftäters Jeffrey Epstein als russischen Spaltungsversuch darstellte, steht mit seinem Unbehagen über die Verwendung des Wortes "Putsch" im Zusammenhang mit den Ereignissen in Bolivien nicht allein.
Begleitmusik zum Putsch: Ein Twitter-Heer macht mobil
Wer derzeit auf Twitter diesen Begriff in den Mund nimmt, der muss mit der wütenden Reaktion eines ganzen Heeres von Putsch-Sympathisanten rechnen, das zum Großteil offenbar aus gefälschten und automatisierten Nutzerkonten besteht, also sogenannten Bots. In einem Tweet fasste das Medienunternehmen Redfish Beispiele dafür in einem Videoclip zusammen. Darin heißt es:
Warum versuchen Bots, die Leute davon zu überzeugen, dass es in Bolivien keinen Putsch gibt?
Wenn Sie 'An die Freunde überall, in Bolivien gab es KEINEN PUTSCH' in die Suchleiste eingeben, gibt es Hunderte von gefälschten Konten, die die gleiche Nachricht auf Englisch verfassen.
Auf die Troll-Armee hatte zuerst der Journalist Ben Norton aufmerksam gemacht:
Es gibt Tausende von offensichtlichen Bot-Accounts, die jeden trollen, der über den rechten Staatsstreich in Bolivien twittert. Es gibt hier eine große Operation.
Norton stellte fest, dass die Konten erst kürzlich eröffnet wurden und nur wenige Tweets abgesetzt hatten und bei Wahl des Nutzernamens demselben Schema folgten – ein Vorname gefolgt von einer Reihe von Zahlen.
Kaum machte er seine Beobachtungen bekannt, hagelte es Dementis von Twitter-Nutzern, deren Accounts bemerkenswerterweise erst im November erstellt wurden. Dazu schrieb Norton im ironischen Ton:
Dieses Gefühl, wenn man über die rechten Bolivien-Putsch-Bots twittert (...) und einige derselben Bots, deren gefälschte Konten buchstäblich gestern eingerichtet wurden, ankommen und behaupten, dass sie keine Bots sind.
Ein von Norton markierter Benutzer hatte nur vier Tweets verfasst – alle griffen den Journalisten an, weil er über die verdächtigen Twitter-Aktivitäten berichtet hatte. Das Konto war erst drei Stunden alt und folgt nur einer Person: Luis Fernando Camacho, eine Führungsfigur der Putschisten.
"Diese Pro-Putsch-Desinformationskampagne durch Bots ist so offensichtlich", so Norton. In diesem Zusammenhang bemerkenswert: Laut den bereits erwähnten geleakten Audioaufnahmen sahen die Pläne der Putschisten vor, über die sozialen Netzwerke Schmierkampagnen gegen Präsident Morales zu organisieren. Auch das spricht für eine koordinierte Kampagne in den sozialen Medien, mit deren Hilfe der gewalttätige Machtwechsel in Bolivien legitimiert werden soll.
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