Venezuela ist so gut wie aus den Schlagzeilen der sogenannten Qualitätsmedien verschwunden. Wie ist das zu erklären? Gibt es etwa plötzlich nichts mehr zu berichten? Die Antwort ist genauso banal wie aufschlussreich: Nichts hat sich grundlegend vor Ort geändert, bis auf die Tatsache, dass der geplante Putsch des selbsternannten Übergangspräsidenten Juan Guaidó und seiner Förderer in Washington und Brüssel als gescheitert betrachtet werden kann.
Genauso wie der Coup scheiterte, ist auch dessen unausweichliche hysterische Begleitmusik in den etablierten Medienorganen der "freien Presse" verstummt. Man setzt jetzt nur noch vereinzelte Nadelstiche.
Umso mehr lohnt sich ein Blick auf die aktuellen Ereignisse. Die Stimmung im Guaidó-Lager kann zur Zeit nicht die beste sein. Als sich der Günstling Washingtons nach Rücksprache mit der Regierung Trump im Januar zum "Interimspräsidenten" ausrief, schien noch alles nach Plan zu laufen. Die "internationale Gemeinschaft", ein Euphemismus für die "transatlantische Gemeinschaft", ließ keine Zeit verstreichen, um den mustergültigen Hoffnungsträger westlicher Interessen vor Ort als legitimen Nachfolger Maduros anzuerkennen. Seitdem heißt es, dass "über 50 Staaten" Guaidó als legitimen Nachfolger des venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro anerkannt hätten. Das ist wohlgemerkt nicht einmal ein Drittel der Staaten weltweit.
Dennoch muss es die mit der Anerkennung und Unterstützung der Achse Washington-Brüssel einhergehende Hybris gewesen sein, die den politischen Emporkömmling Juan Guaidó dazu veranlasste, noch jedes Gesprächsangebot der Maduro-Regierung zur friedlichen Beilegung des Stellvertreterkonflikts selbstbewusst abzulehnen. Doch Not macht flexibel und so sieht man sich offensichtlich nun dazu gezwungen, zumindest so zu tun, als ob man an Gesprächen interessiert sei.
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Während des ersten Vermittlungsversuchs Norwegens im Mai hatte sich Guaidó als unbeugsamer Rebell inszeniert. Die Gespräche in Oslo scheiterten und Guaidó erklärte, für weitere Verhandlungen nicht mehr zur Verfügung zu stehen.
Was er nicht beachtete, Washington lässt seine Günstlinge und "Partner" ebenso schnell fallen, wenn sie ihre Schuldigkeit nicht zur Zufriedenheit erfüllen, wie es diese vorher aufbaut. Offensichtlich pfiff Washington ihn zurück und ermahnte seine Marionette, nun behutsamer aufzutreten.
Wir werden an dem Treffen mit den Vertretern des Regimes teilnehmen, um einen Ausweg aus der Diktatur zu suchen. Unsere größte Motivation ist, dem Leiden der Venezolaner ein Ende zu bereiten, hieß es daher im Vorfeld der neuen Verhandlungsrunde auf der Karibikinsel Barbados.
Wohl um das "Leid der Venezolaner" zu beenden, hatte Guaidó alle US-Sanktionen gegen Venezuela begrüßt, zu denen unter anderem auch dringend benötigte Medikamente zählen. Auch eine militärische Intervention durch die USA mochte Guaidó nicht ablehnen, um das Land zu "befreien".
Völlig irreführend sind in diesem Zusammenhang Schlagzeilen, die die neue Verhandlungsrunde begleiten, wie die des ZDF:
Im erbitterten Machtkampf in Venezuela konnte sich bisher keine Seite entscheidend durchsetzen. Das fördert offenbar die beiderseitige Gesprächsbereitschaft.
Zumindest aktuell ist der Machtkampf entschieden und Guaidó hat ihn verloren. Daher nun der Wechsel bei der Auswahl der Mittel, um den Regime Change doch noch irgendwie zu bewerkstelligen. Die neue Bühne ist die Karibikinsel Barbados.
Die Parteien werden diese Woche in Barbados zusammentreffen, um bei der Suche nach einer vereinbarten und verfassungsmäßigen Lösung für das Land voranzukommen. Die Verhandlungen werden kontinuierlich und effizient geführt," hieß es im Vorfeld seitens der norwegischen Regierung.
Wie gesprächsbereit der venezolanische "Oppositionsführer" tatsächlich ist, zeigt sich an seiner Agenda für die Barbados-Gespräche. Zu den Zielen zählen demzufolge "die Bildung einer Übergangsregierung", "ein Abgang Maduros" sowie "freie Wahlen unter internationaler Beobachtung."
Dass die letzten Wahlen bereits unter "internationaler Beobachtung" standen, scheint dabei keine Rolle zu spielen, war das Ergebnis doch offensichtlich nicht zufriedenstellend. Daher wurden sie von Guaidó als Chef der venezolanischen Nationalversammlung auch als nicht frei und nicht fair bezeichnet.
Wie das norwegische Außenministerium nun mitteilte, einigten sich die venezolanische Regierung und das Guaidó-Lager nach mehrtägigen Verhandlungen auf Barbados darauf, im Gespräch zu bleiben und eine ständige Arbeitsgruppe einzurichten.
Ich erkenne die Bemühungen und den Geist der Kooperation der beiden Lager an", erklärte Norwegens Außenministerin Ine Eriksen Søreide.
Der venezolanische Informationsminister Jorge Rodríguez schrieb auf Twitter:
In Barbados ist die Sitzung der ständigen Arbeitsgruppe für Dialog und Frieden zu Ende gegangen, die auf verfassungsmäßigem und friedlichem Wege die Meinungsverschiedenheiten beseitigen will.
Auch die neue Verhandlungsrunde war von der norwegischen Regierung eingefädelt worden. Anders als etwa Deutschland, Spanien, Frankreich und Großbritannien weigerte sich die Regierung in Oslo, Juan Guaidó als Interimspräsidenten Venezuelas anzuerkennen.
Norwegen hat eine Tradition der Anerkennung von Staaten und nicht von Regierungen", erklärte die norwegische Außenministerin Ine Eriksen Søreide bereits Anfang des Jahres.
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