Mit einem Streik und gewaltsamen Zusammenstößen protestierten viele Demonstranten in Tegucigalpa bereits Ende April gegen Reformen im Bildungs- und Gesundheitswesen. Einige forderten auch den Rücktritt von Präsident Juan Orlando Hernández. Die Unruhen verwandelten sich mittleweile in einen allgemeineren Protest gegen die Korruption und die unpopuläre Politik seiner Regierung.
Am Montag zündeten Demonstranten Container des US-Unternehmens Dole Food Company in einem ländlichen Gebiet in der Nähe des kleinen Dorfes Guadalupe Carney an. Zuvor steckten Protestierende bereits vor der US-Botschaft mehrere Autoreifen in Brand. Auf Fotos war zu sehen, wie vor dem Eingang zur diplomatischen Vertretung ein Stapel Reifen brannte, eine schwarze Rauchsäule stieg zum Himmel.
Hernández' Regierung kam im Jahr 2017 nach einer Wahl zustande, die allgemein als betrügerisch eingestuft wurde – auch von der Organisation Amerikanischen Staaten, die ihren Hauptsitz in Washington, D.C. hat. Neben der wachsenden Unpopularität verletzt die derzeitige Regierung nach Angaben großer Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International die Menschenrechte gravierend. Und es gibt zunehmend Anzeichen dafür, dass das Land zu einem "Drogenstaat" geworden ist.
Sowohl die US-Botschaft als auch die Dole Food Company gelten als Symbole für die Macht der USA in Lateinamerika. Große landwirtschaftliche Unternehmen wie Dole und Chiquita haben seit Jahrzehnten den Lebensunterhalt von Kleinbauern in der gesamten Region geschwächt. Die Bauern konnten mit multinationalen Riesen, die erhebliche Subventionen von der US-Regierung erhalten, nicht konkurrieren.
Dieser Vorgang wurde durch das Freihandelsabkommen DR-CAFTA beschleunigt. Das Abkommen, das weniger bekannt ist als das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA), hat die Agrarindustrie in Honduras und in anderen zentralamerikanischen Ländern schwer beeinträchtigt und zur Abwanderung vieler Menschen beigetragen. Solche landwirtschaftlichen Giganten spielten auch oft eine unrühmliche Rolle bei den Bemühungen der USA um Regimewechsel. Im Jahr 1954 stürzte Washington die Regierung von Präsident Jacobo Arbenz in Guatemala – zum Teil aufgrund seiner Verstaatlichung des Vorläufers von Chiquita, der berüchtigten United Fruit Company.
Im Jahr 2009 wurde die demokratisch gewählte Regierung von Manuel Zelaya vom Militär mit Unterstützung der USA gestürzt. Die honduranischen Eliten zeigten sich unzufrieden mit seinem Widerstand gegen den Neoliberalismus. Später stellte sich heraus, dass Hillary Clinton als Außenministerin am Putsch im Jahr 2009 gegen die demokratisch gewählte Regierung von Manual Zelaya beteiligt war und daran arbeitete, die nach dem Putsch herrschenden Regierungen zu unterstützen. Unter ihrer Leitung unterstützte das US-Außenministerium die aufeinanderfolgenden Regierungen mit Propaganda-Kampagnen, um deren Image "aufzupeppen". Washington hat die Sicherheitskräfte des Staates Honduras großzügig finanziert – trotz der Anschuldigungen von Amnesty International und anderer Menschenrechtsgruppen.
Wenn es jedoch um die Berichterstattung über die aktuellen Proteste geht, gibt es keine Rund-um-die-Uhr-Diskussionen und kein Niedermachen einer Regierung, wie es im Fall Venezuelas in den US-Mainstream-Medien der Fall ist.
In einem CNN-Bericht wurde beispielsweise die Antwort des US-Außenministeriums zitiert, wonach das Feuer vor der Botschaft ein "inakzeptabler" Akt von "Gewalt" sei und die US-Diplomaten "eng" mit den honduranischen Behörden zusammenarbeiteten. Die US-Botschaft in Tegucigalpa rief zur Mäßigung auf: "Als Freund und Verbündeter der Regierung und des Volkes von Honduras ruft die US-Botschaft alle Honduraner dazu auf, auf Gewalt zu verzichten", hieß es in der Mitteilung der Botschaft. Es wurde nichts über den Putsch von 2009, über die US-Einmischung im Land oder über die Hintergründe für die Unbeliebtheit von Hernández erwähnt. Lediglich, dass man ihn hinsichtlich Drogenhandels überprüfen werde. Er selbst lehnte dies selbstverständlich wiederholt ab und behauptet, dass es dafür keinerlei Beweise gäbe.
Die Proteste, die bereits Ende April begonnen hatten, fanden in der Mainstream-Presse bis zum Angriff auf die US-Botschaft nahezu gar keine Aufmerksamkeit. Bis zu dem Vorfall mit der US-Botschaft nahm praktisch niemand die Geschichte auf, abgesehen von wenigen Nischenpublikationen.
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