Auch der jüngste Putschversuch des selbsternannten "Interimspräsidenten" Venezuelas, Juan Guaidó, gegen den gewählten Präsidenten Nicoás Maduro ist gescheitert. Dafür verhalf die "Operation Freiheit" getaufte Aktion dem Oppositionsführer Leopoldo López zur Freiheit. Dieser saß seine mehrjährige Haftstrafe wegen Anstiftung zu Aufruhr und Gewalt aus gesundheitlichen Gründen im Hausarrest ab. Mittlerweile befindet er sich mit seiner Familie in der Botschaft Spaniens.
Während der venezolanische Präsident Maduro und seine Regierung zum Dialog und zur Erneuerung der "Bolivarischen Revolution" aufrufen und die Loyalität des venezolanischen Militärs unterstreichen, sorgen die jüngsten Entwicklungen für Kopfzerbrechen bei den internationalen Unterstützern der Regime-Change-Bemühungen in Venezuela.
Guaidó musste ein weiteres Mal feststellen, dass seinem Aufruf als "Präsident Venezuelas" an die Streitkräfte des Landes, sich gegen den "Usurpator Maduro" zu stellen, lediglich einige vereinzelte Überläufer folgten. Offenbar schätzte er die Bereitschaft des venezolanischen Militärs, ihn und einen gewaltsamen Regierungswechsel zu unterstützen, falsch ein. Der US-Sonderbeauftragte für Venezuela, Elliott Abrams, zeigte sich entsprechend irritiert angesichts der fehlenden Bereitschaft der Bolivarischen Streitkräfte, wie "besprochen" zu handeln. Stattdessen hätten sie im entscheidenden Moment die "Handys ausgeschaltet".
Auch aus Brasilien, das unter seinem neuen rechtsgerichteten Präsidenten Jair Bolsonaro zu den entschiedendsten Befürwortern eines "Regime-Changes" in Venezuela zählt, berichten Medienstimmen über Kritik aus den Kreisen des brasilianischen Militärs an Guiadós überstürzter und schlecht organisierter Aktion.
"Guaidós Verzweiflung" – "Unglückliche Figur"
Der venezolanische Oppositionsführer Guaidó ist "eine Art unglückliche Figur", denn "er ruft zu massiven Protesten auf und niemand erscheint", sagte Daniel McAdams, Exekutivdirektor des Ron Paul Institute, das nach dem ehemaligen Kongressabgeordneten und Präsidentschaftskandidaten der Republikaner Ron Paul benannt ist, der McAdams am Dienstag zu seinem Programm "Liberty Report" eingeladen hatte, um die Situation in Venezuela zu analysieren.
Er [Guaidó] ist jetzt nicht nur für die CIA, sondern auch für sein eigenes Oppositionsteam tot mehr wert als lebendig", warnt Daniel McAdams nach dessen jüngstem gescheiterten Versuch, den venezolanischen Präsidenten Maduro zu stürzen.
Paul, der sein Programm den gescheiterten Versuchen von Guaidó widmete, die Regierung mithilfe Washingtons zu übernehmen, zeigte sich besorgt über die Möglichkeit, dass das lateinamerikanische Land im Falle einer Provokation in eine Welle großer Gewalt gestürzt wird.
Wenn es eine 'False-Flag' [-Operation] gibt oder wenn sie einen wichtigen Beamten egal welcher Seite töten, ist es unmöglich vorherzusagen, was passieren könnte", warnte der frühere republikanische Politiker.
In diesem Sinne wies McAdams darauf hin, dass Guaidó selbst Gegenstand dieser Art von Provokation sein könnte, angesichts seiner Laufbahn und nachdem er den Protest gegen die Regierung Maduros nicht mobilisieren konnte.
"Ich glaube nicht, dass er selbst merkt, dass er in Wirklichkeit tot mehr wert ist als lebendig, nicht nur für die CIA, sondern auch für seine eigenen Oppositionellen", fügte er hinzu.
Es "scheint eine Art Verzweiflung zu sein", sagte McAdams über Guaidós Ankündigung vom Dienstag der "letzten Phase" der Operation zum Sturz der Regierung. Denn der venezolanische Oppositionpolitiker "erklärte sich im Januar zum Interimspräsidenten, und es geschah nichts". Auch seine Bemühungen, das Militär auf seine Seite zu ziehen, blieben erfolglos.
Auf der anderen Seite kritisierte Paul die Regierung und hochrangige Beamte der USA, die einerseits Guaidó und seine Bemühungen, die Macht in Venezuela zu übernehmen, nachdrücklich unterstützen und andererseits zur gleichen Zeit die angebliche Einmischung Russlands in die Präsidentschaftswahlen 2016 empört anprangern.
"An wie vielen Orten haben wir uns in den letzten 20, 30, 40, 50 Jahren eingemischt? Ich meine, das ist 'unser Geschäft'. Es stärkt unser Imperium", sagte der ehemalige Kongressabgeordnete, der Personen wie Außenminister Mike Pompeo oder den Nationalen Sicherheitsberater John Bolton als eine "Gruppe von Clowns" bezeichnete, die venezolanische Soldaten auffordern, die Verfassung ihrer Nation zu schützen, indem sie in Guaidós Lager überlaufen.
Sie haben keine Ahnung vom Verfassungsrecht in unserem Land. Und sie werden dann das Verfassungsrecht in anderen Ländern wiederherstellen? Das sind nur Klischees und Unsinn!", fuhr Paul mit seiner Verurteilung fort.
In den frühen Morgenstunden des Dienstags befreite der Abgeordnete der Opposition im venezolanischen Parlament und selbst ernannte "Interimspräsident" Juan Guaidó mithilfe einer Gruppe von Soldaten Leopoldo López, der zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt worden war, aus seinem Hausarrest. Guaidó erschien mit López und einer Gruppe von Deserteuren der Streitkräfte in einem Video und forderte das Volk und die Armee auf, sich einem Staatsstreich gegen den demokratisch gewählten venezolanischen Präsidenten Maduro anzuschließen.
Nach Guaidós Aufruf zum Staatsstreich kam es in verschiedenen Teilen der Haupstadt Caracas zu Zwischenfällen zwischen Oppositionsgruppen und Ordnungskräften.
Präsident Maduro rief seinerseits über den Kurznachrichtendienst Twitter dazu auf, "die Nerven aus Stahl" zu behalten, und berichtete, dass alle Kommandeure des "Strategischen Operationskommandos der Nationalen Streitkräfte (FANB)" und der sogenannten "Zonen der integralen Verteidigung" ihre Loyalität "zum Volk, zur Verfassung und zum Heimatland" zum Ausdruck brachten.
Ebenso erklärte Verteidigungsminister Vladimir Padrino López, dass "die Nationalen Streitkräfte fest auf der Seite der Verteidigung der Verfassung und ihrer legitimen Behörden stehen" und dass "alle militärischen Einheiten von Normalität berichten".
Leopoldo López in der spanischen Botschaft
Nicht nur die wiederholte Erfolglosigkeit des "Interimspräsidenten" Guaidó sorgt für Irritationen, sondern auch die Anwesenheit des Oppositionspolitikers Leopoldo López in der spanischen Botschaft in Caracas. López hatte zwar angekündigt, kein politisches Asyl in der Botschaft zu beantragen. Doch zugleich machte er deutlich, dass er so lange in der diplomatischen Vertretung bleiben wolle, bis "die Usurpation beendet ist", was ihm zufolge lediglich eine Frage von "einigen Wochen" sei. In einer Stellungnahme im Außenbereich der Botschaft schloss López die Anwendung von Gewalt zum Sturz der Regierung Maduro ausdrücklich nicht aus.
Ein venezolanisches Gericht ordnete am Donnerstag erneut die Festnahme von López wegen "flagranter" Verletzung seines Hausarrestes an. Ihm wird außerdem der Verstoß gegen die Haftauflagen hinsichtlich "politischer Stellungnahmen über konventionelle und nichtkonventionelle, nationale und internationale Medien" vorgeworfen. Das Gericht entschied, dass López weiterhin seine 13-jährige Haftstrafe zu verbüßen hat.
Im September 2015 wurde López nach einer Demonstration der Opposition im Februar 2014, bei der 43 Menschen starben, unter anderem wegen Anstiftung zum öffentlichen Aufruhr und zur Gewalt verurteilt. Drei Jahre später entschied der venezolanische Oberste Gerichtshof, dass López seine Haftstrafe wegen "gesundheitlicher Probleme" im Hausarrest verbüßen kann.
Spanien wird nicht zulassen, dass seine Botschaft zu einem Zentrum des politischen Aktivismus für die Opposition wird", erklärte der spanische Außenminister Josep Borrell bei einer Pressekonferenz während seines offiziellen Aufenthaltes im Libanon.
Borrell berichtete auch von Gesprächen mit der Regierung Maduro über die gegenwärtige Situation des Oppostionspolitikers in der spanischen Botschaft. Trotz politischer Divergenzen zwischen den Regierungen beider Länder und der Anerkennung von Juan Guaidó als Interimspräsident durch Spanien sprach Borrell von einer "höflichen" Beziehung, die er zur venezolanischen Regierung unterhält.
Die Absicht der [spanischen] Regierung ist es, ihn [López] dort zu belassen. Wir gehen davon aus, dass die Sicherheit der Einrichtungen der Botschaft gewährleistet und es keine Intervention gegen diese geben wird", erklärte zusätzlich der spanische Minister für Entwicklung und Infrastruktur, José Luis Ábalos, im spanischen Fernsehen.
Demgegenüber kritisierte der Botschafter Venezuelas in Madrid am Freitag im spanischen Radio die Vorgänge in der spanischen Vertretung in Caracas:
Es ist unerhört, dass er [López] das Haus des Botschafters als Operationsbasis nutzt, um zu einem militärischen Aufstand aufzurufen, nachdem sein Versuch vom 30. April fehlgeschlagen ist.
Die Position der spanischen Regierung gegenüber Venezuela ist ebenso widersprüchlich wie die anderer westlicher Regierungen. Denn einerseits erkennen sie den nach der venezolanischen Verfassung nicht legitimierten "Interimspräsidenten" Guaidó an und unterstützen ihn, obwohl er wiederholt zum gewaltsamen Sturz des gewählten Präsidenten Maduro aufruft. Und andererseits lehnen sie den Einsatz von Gewalt für einen solchen Regierungswechsel ausdrücklich ab.
Zwei venezolanische "Botschafter" in Spanien
Die Anwesenheit des Oppositionsführers López in der spanischen Botschaft in Caracas, der von dort aus explizit einen Putsch gegen die Maduro-Regierung unterstützt, verschärft die ohnehin widersprüchliche Position Spaniens zusätzlich, da es gegenwärtig zwei venezolanische "Botschafter" in Spanien gibt: einen Repräsentanten von Guaidó, der offiziell nicht anerkannt und daher ohne jeden diplomatischen Status ist, und den offiziellen Botschafter der Regierung Maduro, der weiterhin über alle diplomatischen Beglaubigungen verfügt und uneingeschränkt seine Amtsgeschäfte ausübt.
Sollte Spanien nun gemäß seiner Anerkennung von Guaidó auch dessen Repräsentanten als offiziellen Botschafter in Spanien anerkennen, so würde dies nach dem "Gegenseitigkeitsprinzip" des Artikels 47 der Wiener Konvention über diplomatische Beziehungen in identischer Weise den Status der Botschaft Spaniens in Venezuela betreffen:
Es gilt jedoch nicht als Diskriminierung, wenn der Empfangsstaat eine Bestimmung dieses Übereinkommens deshalb einschränkend anwendet, weil sie im Entsendestaat auf seine eigene Mission einschränkend angewandt wird.
Da Nicolás Maduro die tatsächliche Kontrolle über das Gebiet der diplomatischen Vertretung Spaniens in Venezuela hat, könnte er also in diesem Fall seinerseits den diplomatischen Status des offiziellen Repräsentanten der spanischen Regierung aberkennen. Dieser würde dann nicht mehr durch die Immunitäten und Vorrechte gemäß der Wiener Konvention geschützt. Ebenso wenig wie sein "Gast" Leopoldo López, der von den venezolanischen Behörden umgehend festgenommen werden könnte.
Mehr zum Thema - Treffen mit venezolanischer Opposition: Maas will neue Sanktionen gegen Maduro-Regierung prüfen