Mauricio Kimura lebt heute mit seiner Familie in Neuseeland. Er ist Jurist und sah in seiner Heimat Brasilien wenig Chancen für einen positiven Wandel. Aus der Ferne bewertet er das Wahlergebnis und kann den Aufruhr in den Medien über den Sieg von Jair Bolsonaro nicht nachvollziehen. Bolsonaro wurde mit 55,1 Prozent der Stimmen in der Stichwahl zum neuen Präsidenten Brasiliens gewählt. Sein Gegner Fernando Haddad erzielte mit der sozialdemokratisch orientierten Arbeiterpartei 44,9 Prozent. RT Deutsch sprach mit Mauricio Kimura, einem Vertreter der gehobenen brasilianischen Mittelschicht, über das Wahlergebnis, um auch Stimmen aus diesem Sektor zu dokumentieren:
Wie bewerten Sie die Wahl von Jair Bolsonaro?
In Brasilien haben wir links und rechts, ähnlich wie die Republikaner und Demokraten in den USA. Man könnte sagen, dass der Gewinner aus den Reihen "der Republikaner" kommt. Aber seit vielen Jahren waren "die Demokraten" an der Macht. Die letzte Präsidentin wurde deswegen ihres Amtes enthoben, weil sie eine Straftat begangen hat. Und der Präsident davor war ebenfalls kriminell und kam in Haft. Sie gehörten beide der gleichen Partei an.
Mit dem Gegenkandidaten von Jair Bolsonaro: Fernando Haddad von der linken Arbeiterpartei, der verloren hat, wäre es wieder das Gleiche gewesen. Deshalb haben wir uns für die neue Partei entschieden. Ich bin kein Fan von ihm, aber wir hatten nur die zwei Möglichkeiten.
In vielen Medien, auch bei RT Deutsch, wird Bolsonaro als "rechtsextrem" beschrieben. Wie sehen Sie dies?
Beispielsweise ist er gegen den Schutz der LGBT-Bewegung. Aber genau wissen wir es nicht ... er muss Dinge sagen, die die Leute hören wollen. Letztlich hat er sich an die Verfassung zu halten und muss den Menschen die gleichen Rechte gewähren, ungeachtet ihrer politischen oder ihrer sexuellen Einstellung. Falls er anderes versucht, wird er seines Amtes enthoben werden.
Brasilien scheint für Politiker ein gefährliches Land zu sein. Sie geraten in Haft oder werden ermordet.
Das Land ist zerfressen von Korruption. Man muss mutig sein, um dort zu leben. Deshalb bin ich nach Neuseeland gezogen. In Brasilien weiß man nicht, ob man sein Geld bei der Bank lassen kann oder die Regierung einem dort das Geld wegnimmt. Ich fühle mich dort nicht sicher. Deshalb verlassen die wohlhabenden Leute Brasilien, es sei denn, sie sind Teil der Regierung oder bezahlen die Politiker. Auch die Gewalt hat zugenommen. Die öffentlichen Bildungsmöglichkeiten sind miserabel, die Grund- und weiterführenden Schulen sind so schlecht wie nie zuvor. Allein die öffentlichen Universitäten sind noch gut.
Es gibt eine große Kluft zwischen Arm und Reich. Hier in Neuseeland geht man in ein Pub, und da sitzt dann die Reinungskraft neben dem Firmenchef. In Sao Paolo sieht man keine armen Leute in schicken Bars.
Sie sind der Enkel japanischer Einwanderer. Hat man dadurch Nachteile in der brasilianischen Gesellschaft?
Sie sagen dort, wir würden ihnen die Arbeitsplätze wegnehmen. Sie denken, wir sind zu schlau und sollten deshalb das Land verlassen. Wir besuchen die besten Universitäten und haben so am Ende auch die besten Arbeitsplätze. Aber wir sind weniger als zwei Millionen von insgesamt 207 Millionen. Der größte Teil unserer ethnischen Gruppe lebt in Sao Paolo. Wir leben nicht in den Favelas. Und es gibt wenige Kriminelle mit japanischer Abstammung. Meine Großeltern kamen 1938, also vor dem Zweiten Weltkrieg nach Brasilien. In Japan hungerten zu jener Zeit alle. Diese Einwanderungswelle begann 1908, das heißt, in diesem Jahr kann man in Brasilien 110 Jahre japanische Zuwanderung feiern.