Wahl in Brasilien: Ex-Militär Bolsanaro siegt mit 46 Prozent - Millionen von Wahl ausgeschlossen

Sieger des ersten Wahlgangs der Präsidentschaftswahlen in Brasilien ist der ultra-rechte Jair Bolsonaro mit 46 Prozent der Stimmen. Fernando Haddad von der Arbeiterpartei (PT) kam auf 29,3 Prozent. Über 3 Millionen Wähler im verarmten Nordosten waren von der Wahl ausgeschlossen.

von Maria Müller, Montevideo

Am Sonntag haben 147,3 Millionen Stimmberechtigte in Brasilien einen neuen Präsidenten gewählt. Der allgemein als rechtsextrem oder faschistisch bezeichnete Jair Bolsonaro von der sozialliberalen Partei hat entgegen allen Voraussagen innerhalb einer Woche seine Wählergunst fast verdoppelt und kam auf den ersten Platz. Das Ergebnis des Lula-Nachfolgers Fernando Haddad entspricht annähernd den Umfragen. Er kam auf Platz zwei. Da keiner der beiden Kandidaten die notwendigen 50 Prozent plus eine Stimme für den Sieg erreicht hat, wird es in drei Wochen eine Stichwahl geben.

Insgesamt ist das Ergebnis eine Niederlage für die linken und demokratischen Parteien, insbesondere für die PT. Sie verloren Sitze im Senat und der Abgeordnetenkammer sowie in den lokalen Regierungen der Bundesstaaten. War es eine radikale Protestwahl? Demokratieverdrossenheit?

Der Versuch der PT, die Wähler hinter der Alternative: "Demokratie ja oder nein" zu sammeln, war nicht genügend erfolgreich. Vielleicht hält ein Teil der Wähler die Demokratie nicht für die Lösung ihrer Probleme, zumal auch eine regierende Arbeiterpartei Zugeständnisse an die Machteliten machen müsste. Zumindest 78 Prozent der Brasilianer sind von ihren Politikern enttäuscht. Die Gründe für dieses Wahlergebnis sind sicher zahlreich und unterschiedlich.

Als Erklärung ist jedoch festzuhalten, dass der Abgeordnete und Reserveoffizier der brasilianischen Armee, Jair Bolsonaro, ganz offenbar der Wunschkandidat des brasilianischen Establishments ist. Die immer enger werdende Spirale der wirtschaftlichen Krise als Folge der neoliberalen Globalisierung benötigt schlichtweg einen neuen Faschismus. Das Ende der Sozialpolitik und des demokratischen Bildungswesens wurde in Brasilien unter Temer bereits eingeläutet. Eine neue Runde der Macht- und Kapitalkonzentration in den oberen Etagen der Gesellschaft polarisiert den immer härter werdenden Überlebenskampf in den unteren Schichten.

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Dazu passt der radikale Rassismus und Sexismus eines Bolsonaro. Das neuerliche Zurückstufen der Frau und die Gewaltandrohung gegen nichtweiße oder sexuelle Minderheiten dienen in einer solchen Gesellschaft als ideologische Rechtfertigung für gewaltätige Maßnahmen. Er befürwortet die Todesstrafe und will ganze Stadtviertel wegen Drogenmafias "an die Wand stellen". Hier sind auch die Stichworte für ein politisches Eingreifen des Militärs zu finden. In den letzten Tagen vor der Wahl propagierte Bolsonaro das freie Tragen von Schusswaffen, wofür er sofort von einem der größten Pistolenhersteller Brasiliens gelobt wurde.

"Brasilien ist kein herzliches Land, es ist ein gewalttätiges Land mit einem enormen sozialen Ausschluss und einer der größten Konzentrationen an Reichtum in der Welt. All das macht sein Alltagsleben aggressiv", sagt der brasilianische Soziologe Mauricio Murad. 

In drei Wochen wird es eine Stichwahl geben. Doch der große Vorsprung von rund 15 Prozent des Kandidaten Bolsonaro ist für Fernando Haddad nicht leicht zu überrunden. Er benötigt dafür ein Bündnis mit dem konservativen Sozialdemokraten Ciro Gómez, der 12,5 Prozent erhielt. Wobei nicht sicher ist, ob seine Wähler dem Vorschlag geschlossen folgen würden. Weitere Bündnispartner sind nicht eindeutig auszumachen.

Unzureichende Wahlbeobachtung?

Zum ersten Mal in der Geschichte Brasiliens (!) befinden sich internationale Wahlbegleiter im Land. Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) sandte eine kleine Gruppe von 40 Beobachtern in das riesige Land. Sie konnte nur in 13 der 27 brasilianischen Bundesstaaten die Wahlen vor Ort kontrollieren. Im Vergleich dazu: Bei den vergangenen Präsidentschaftswahlen in Venezuela (20 Millionen Wähler) arbeiteten 150 internationale Beobachter.

Die Mitarbeiter der OAS scheinen nicht bemängelt zu haben, dass 3,4 Millionen Wähler im verarmten Nordosten Brasiliens, der Hochburg der Arbeiterpartei (PT), von den Wahlen ausgeschlossen wurden, weil sie ihre Fingerabdrücke nicht digitalisieren ließen. Würde es sich um Venezuela handeln, hätte der Vorgang mit Sicherheit den Vorwurf des Wahlbetrugs eingebracht. Die sozialistische Partei Brasiliens kritisierte, dass mit der Maßnahme verhindert würde, dass sich die armen und desinformierten Bevölkerungsteile an der Wahl beteiligen können. 

Die Leiterin der Beobachtergruppe, die ehemalige Präsidentin Costa Ricas, Laura Chinchilla, bescheinigte die Normalität des Wahlvorganges, die technische Integrität der digitalen Wahlmaschinen (wie in Venezuela) und die Ruhe im Land. Sie zeigte sich besorgt über die Fake-Kampagne in den sozialen Medien, die bei den Wählern offenbar mehr Wirkung zeigte als die Fernsehdebatte zwischen den Präsidentschaftskandidaten.

"Die Kampagne mit Falschinformationen in den sozialen Medien könnte die Glaubwürdigkeit der Wahlen in Frage stellen", sagte Chinchilla gegenüber der Presse.

Das Oberste Wahlgericht hat die Kampagne eingeräumt und versichert, es würde gegen dieses Phänomen vorgehen. Hierbei handelt sich um das gleiche Gericht, das dem inhaftierten Ex-Präsidenten Lula da Silva verboten hat, seine Stimme abzugeben.