von Maria Müller
Vergangene Woche war der neue spanische Regierungschef Pedro Sánchez in Südamerika auf Tour. Am Montag besuchte er Chile, am Dienstag und Mittwoch Bolivien, für Donnerstag war Kolumbien angesagt. Die Reise endete in Costa Rica.
Jenseits der geschäftlichen Interessen und Entwicklungsprojekte, die in jedem der Länder im Mittelpunkt stehen, ist doch eine neue Tonlage hervorzuheben, die den politischen Äußerungen von Sánchez zu entnehmen sind. In Bezug auf Venezuela wird das besonders deutlich.
Auf einer Pressekonferenz im Präsidentenpalast in Chile äußerte sich Spaniens Ministerpräsident dazu:
Wir verfolgen schon seit Langem mit großer Sorge die Krise in Venezuela. Doch Spanien fühlt sich nicht dazu berufen, sich in die Politik der Region einzumischen. Venezuela muss einen Dialog mit sich selbst eröffnen, es muss einen Dialog zwischen den Venezolanern geben, um eine Lösung für diese politische Krise zu finden, und natürlich muss die internationale Gemeinschaft diesen Dialog begleiten. Ich kann garantieren, dass Spanien dabei eine aktive Rolle spielen wird.
Sein Vorgänger Mariano Rajoy übernahm hingegen als Scharfmacher die Aufgabe, die US-Pläne gegen Venezuela voranzubringen. Er profilierte sich als Wortführer im Verbund mit der sogenannten Lima-Gruppe, also derjenigen Staaten, die unermüdlich Venezuela attackieren und besonders harte Sanktionen fordern. Wobei sie die eigenen Menschenrechtsverletzungen stets übersehen, allen voran Mexiko und Kolumbien.
Spanien bietet sich als Vermittler in Kolumbien an
Pedro Sánchez hat bereits vor seiner Ankunft in Kolumbien Spaniens Bereitschaft angekündigt, in dem Verhandlungsprozess mit der kolumbianischen Guerilla-Organisation ELN aktive Vermittlerarbeit zu leisten. Es sei oft hilfreich, wenn Drittstaaten, zu denen beide Seiten Vertrauen hätten, sich an den Dialogrunden beteiligen, meinte er. Die Runde könne auf eine größere internationale Beteiligung erweitert werden. Sánchez betonte allerdings, dass alle gut gemeinten Vorschläge davon abhingen, ob Kolumbiens neue Regierung sie akzeptiere.
Die ELN dankte bereits bei der Ankunft des Spaniers in Kolumbien mit einem Gruß aus Havanna, wo die bisherigen Friedensgespräche stattfanden. "Wir danken der spanischen Regierung und hoffen, dass Präsident Ivan Duque den Vorschlag willkommen heißt", verlautbarte der Chefunterhändler der ELN, Pablo Beltrán.
Bei seinem Aufenthalt in Kolumbien will Sanchez sich aus erster Hand über den Fortgang des Friedensprozesses mit der FARC informieren. Es sollen direkte Gespräche mit Vertretern der Sonderjustiz für den Frieden, mit der Kommission für Wahrheit, Zusammenleben und Nichtwiederholung und mit der Institution für das Auffinden verschwundener Personen stattfinden.
Spanien will sich auch bei internationalen Hilfsmaßnahmen zur Unterstützung von Emigranten aus Venezuela beteiligen. Heute klagt Kolumbien, dass bisher angeblich 1,5 Millionen Menschen aus Venezuela kamen. Von Kolumbiens Regierung wird verschwiegen, dass es sich dabei teilweise um Kolumbianer handelt, die im Laufe der Jahre des internen Krieges nach Venezuela geflüchtet waren und nun zurückkehren.
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Insgesamt sucht Sánchez einen konstruktiven Weg für die Probleme der Region. Sein Versuch setzt neue Akzente in den bilateralen Beziehungen. Entsprechend freudig war auch der Empfang in Bolivien am Dienstag, wo er sich für 24 Stunden aufhielt. Das Verhältnis zwischen beiden Regierungen sei gegenwärtig besonders positiv, versicherte man in La Paz. Der letzte Besuch eines spanischen Regierungschefs fand vor 20 Jahren statt.
Anschluss an chinesische "Neue Seidenstraße"
Die Präsidenten Sánchez und Morales unterzeichneten eine Absichtserklärung, sich bei Entwicklungsprojekten gegenseitig zu unterstützen. Damit sind besonders die großformatigen neuen Verkehrswege gemeint, die Südamerika gegenwärtig baut. Nicht zuletzt geht es dabei um die Anbindung an das globale Entwicklungsprojekt Chinas, das unter dem Namen "Neue Seidenstraße" in Lateinamerika große Hoffnungen weckt. Spanien hat großes Interesse daran, sich an solchen Projekten von kontinentaler Dimension zu beteiligen. Konkret geht es heute um die zentrale Zugverbindung zwischen der Atlantik- und der Pazifikküste Südamerikas. Dafür werden umfangreiche Finanzmittel und internationale Beteiligungen am Bau der Strecke benötigt.
Der Zug wird mit einer Länge von 3.850 km durch Bolivien führen und den Süden Perus am Pazifik mit dem Osten Brasiliens am Atlantik verbinden.
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In Chile unterzeichneten die Präsidenten Piñeira und Sánchez eine Absichtserklärung in Bezug auf die Cybersicherheit. Man will in enger Kooperation die Informationssysteme der staatlichen Verwaltungen, die Finanzsysteme und die Sicherheitssysteme besser schützen. Außerdem ziele das Abkommen darauf ab, "das gute Niveau der technischen Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Terrorismus, Drogenhandel und organisierter Kriminalität zwischen den beiden Ländern zu vertiefen", erklärte Sánchez.
Der Spanier plädierte in Chile auch für die Erneuerung des Assoziierungsabkommens zwischen Santiago de Chile und Brüssel. Die Europäische Union gehört zu den stärksten Handelspartnern des südamerikanischen Landes. Die europäischen Investitionen rangieren in Chile an erster Stelle. Des Weiteren soll die Mobilität von Akademikern und Fachkräften durch ein wechselseitiges Anerkennen der jeweiligen Berufs- und Universitätsabschlüsse erleichtert werden.
Auf Twitter fügte Sánchez einige weitere Themen hinzu, die ihm besonders am Herzen liegen:
Nur durch Kooperation und Integration werden wir effektiv auf Herausforderungen wie Digitalisierung, Klimawandel, Gleichstellung der Geschlechter oder wirtschaftliche Gerechtigkeit reagieren können.
Die letzte Station der Reise war Costa Rica. Sánchez traf sich mit Präsident Carlos Alvarado. Vorrangiges Thema waren gemeinsame Maßnahmen zum Umweltschutz und gegen den Klimawandel. Beide Präsidenten nahmen an einer Veranstaltung über "Umwelt, Klimawandel und das Ende der Kohlenenergie" im Präsidentenpalast teil.
Des Weiteren kam es zu einem Gespräch mit dem Präsidenten des Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshofes (CIDH). Die regionalen Migrantenströme waren ebenfalls Thema von Gesprächen. Sánchez vertrat dabei die Sichtweise, dass die Länder der Region zu koordinierten Vorgehensweisen wie in Europa kommen und die Lasten aufteilen sollten.
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