von Maria Müller, Montevideo
Die kubanische Hauptstadt Havanna ist in diesen Tagen Anziehungspunkt für linksgerichtete Bewegungen aus ganz Lateinamerika. Man will gemeinsam nach Strategien suchen, um den, wie man es nennt, "aggressiven Vormarsch von Verfechtern der neoliberalen Politik" in Lateinamerika zurückzudrängen. Auf dem Forum soll der internationale Dialog über gemeinsame linke und progressive Ziele auf regionaler Ebene fortgesetzt werden, der 2017 in Nicaragua begonnen hatte.
Aus jedem lateinamerikanischen Land kommen, so kündigt es der Veranstalter an, sozialistische und/oder kommunistische Parteien, Mitte-links-Zusammenschlüsse sowie "Bündnisse von sozialen Bewegungen, Frauen- und Indigenenorganisationen und Umweltparteien". Auch die brasilianische Arbeiterpartei PT, die Morena-Partei des neugewählten mexikanischen Präsidenten Andrés Manuel López Obrador oder die Bewegung Marcha Patriotica aus Kolumbien werden mit dabei sein.
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Neben den Lateinamerikanern haben sich auch Organisationen aus Europa angemeldet, unter anderem auch aus Deutschland. Gleichzeitig wird auch das III. Treffen zwischen der Europäischen Linkspartei und dem Sao Paulo Forum stattfinden. Beide Kräfte wollen über unterschiedliche Realitäten und andere Wege der Politik sprechen. Gleichzeitig gebe es auch Themen, die alle betreffen und bei denen ein Konsens erarbeitet werden soll.
Arbeiten Medien und Justiz in Lateinamerika gegen die Linke?
Im Vordergrund der Debatte des 24. Forums stehen aktuelle Themen wie das, wie es die Veranstalter nennen, "Vorgehen einer politisierten Justiz bei der Verfolgung von progressiven Führungspersönlichkeiten". Ein Beispiel dafür sei der Prozess gegen den ehemaligen Präsidenten (2003-2011) von Brasilien, Luiz Inácio Lula da Silva, aber auch die bislang im Sande verlaufenen Anklagen und der Haftbefehl gegen den Ex-Präsidenten Ecuadors, Rafael Correa.
Des Weiteren steht die "dominierende Einflussnahme der Medien gegen sozial engagierte Regierungen" zur Diskussion. Gegen diese wahrgenommene Situation sollen mögliche Gegenstrategien weiterentwickelt werden. Der angeblich drohende Krieg gegen Venezuela und mögliche Auswirkungen auf die gesamte Region sind weitere Themen der Tagesordnung. Nicht zuletzt auch die nach Meinung der Ausrichter des Forums akute Gefahr einer "Kriegsführung auf niedrigem Niveau" mithilfe von Söldnern und Paramilitärs nach dem Vorbild des Nahen Ostens.
Die neoliberale Gegenoffensive hat zum Ziel, die Regierung in Venezuela abzusetzen, die Blockade gegen Kuba wieder zu verstärken, die Regierung von Evo Morales in Bolivien zu isolieren und eine oppositionelle Gegenregierung in Nicaragua einzupflanzen",
äußerte sich der argentinische Analytiker Atilio Borón im Vorfeld der Konferenz zum politischen Panorama in Lateinamerika. Zudem meint er:
Auch Ecuador soll nun rasch wieder unter US-Kontrolle gebracht werden. Die von Ex-Präsident Correa ausgewiesenen US-Militärs wollen auf die Militärbasis Manta zurück. Das Schicksal des Whistleblowers Julian Assange in der ecuadorianischen Botschaft in London hängt an einem seidenen Faden.
"Gegen neoliberale und antiliberale Politik"
In Havanna wird darüber hinaus eine "solidarische und ungeschminkte Diskussion" über die Erfolge und Irrtümer der progressiven Regierungen erwartet. Gleichzeitig wollen die Teilnehmer eine präzise Diagnose über die, wie sie es nennen, "Reichweite und Grenzen der imperialistischen Offensive" durchführen, und die "Stärken und Schwächen ihrer lokalen Handlanger" identifizieren.
Bei allem Grund zur Klage zeigten einige Entwicklungen in Südamerika jedoch auch, dass die wahrgenommene Offensive der Rechten an Grenzen stoße oder aber hohe Hürden überwinden müsse. Der De-facto-Präsident Brasiliens, Michel Temer, habe nur noch drei Prozent Rückhalt in der Bevölkerung, und in Argentinien sprächen selbst die Anhänger von Mauricio Macri über die Möglichkeit von vorgezogenen Wahlen. Es werde angezweifelt, dass der Präsident sein Mandat bis zum 10. Dezember 2019 durchhalten könne.
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Die Exekutivsekretärin der Organisation des Forums, Monica Valente, betonte in den Tagen vor dem Forum, dass die Linke weiterhin die Diskussion und Zusammenarbeit mit den "sozialen Bewegungen" und den Gewerkschaften suchen müsse. Politische Forderungen und Ziele müssten regional gemeinsam gesucht und formuliert werden. Eine "große antiimperialistische Bewegung gegen neoliberale und antiliberale Politik" sei notwendig. Außerdem dürfe die Linke den Generationswechsel nicht vernachlässigen:
Gerade junge Menschen sollten verstärkt dazu eingeladen werden, sich an politischen und soziale Bewegungen zu beteiligen und an Jugendorganisationen teilzunehmen.
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Es soll zudem Veranstaltungen mit Frauen- und Jugendbewegungen geben sowie Treffen über Kunst, Kultur und politische Kommunikation.
Der kubanische Journalist Francisco Aries Fernández schrieb in einem Artikel über das 24. Jahrestreffen des Forums:
Warum strengen die Regierung der Vereinigten Staaten und ihre Kriegsmaschinerie sich so an, das Sao Paulo Forum zu verteufeln? Warum wiederholen sie immer und immer wieder, dass es eine 'Bedrohung für die Demokratie' bedeute?
Die "Gefahr" bestehe, so Fernández, darin, dass es die Ärzte der ALBA-Länder und nicht Kliniken der USA gewesen wären, die erreicht hätten, dass innerhalb von zehn Jahren drei Millionen Lateinamerikaner ihr Augenlicht wiedergewonnen haben und dass über fünf Millionen alphabetisiert werden konnten. Dank der Umwandlungsprozesse von progressiven und linken Regierungen seien zig Millionen Menschen der extremen Armut entrissen worden - und zwar in einer Region, die der "Neoliberalismus" in die "ärmste Region mit der größten Ungleichheit weltweit" verwandelt habe. Dies seien einige der "unverzeihlichen Sünden".
Das Sao-Paulo-Forum hatte sich 1990 in unmittelbarer Folge des Falls der Berliner Mauer gegründet, um eine Plattform zur Diskussion neuer globaler Herausforderungen zu etablieren, mit denen sich Lateinamerika und die Karibik konfrontiert sahen. Die Arbeiterpartei PT aus Brasilien und der 2016 verstorbene kubanische Revolutionsführer Fidel Castro waren damals die treibenden Kräfte bei der Gründung.
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