Tillerson-Debakel in Lateinamerika: Selbst US-freundliche Regierungen gegen Putsch in Venezuela

Rex Tillerson hat in Staaten der Lima-Gruppe in Lateinamerika sondiert: Eine offene Militärintervention in Venezuela lehnen selbst rechte Regierungen ab. In einer Rede in Texas "würdigte" der US-Außenminister die Monroe-Doktrin als nach wie vor zeitgemäß.

von Maria Müller, Montevideo

US-Außenminister Rex Tillerson bereiste im Februar Lateinamerika. Erste Station war Mexiko, gefolgt von Argentinien, Peru und Kolumbien, zuletzt besuchte er Jamaika. Die Reise galt vor allem dem Versuch, eine Einheitsfront gegen Venezuela zu schaffen. Tillerson wollte sondieren, inwieweit die rechten Regierungen des Kontinents bereit sind, den Druck gegen das sozialistische Land zu erhöhen oder notfalls gar militärische Optionen zu unterstützen.

Pikant erscheint vor diesem Hintergrund, dass die Staaten, die Tillerson besucht hat, in Sachen Demokratie und Menschenrechte selbst am Pranger stehen: Kolumbien zählt UN-Angaben zufolge 7,7 Millionen Binnenflüchtlinge und Mexiko Hunderttausende von Verschwundenen und Ermordeten. Auch politische Gewalt gegen Journalisten und linke Oppositionelle, besonders im Vorfeld von Wahlen, stärken nicht unbedingt eine glaubwürdige Rolle gegenüber Venezuela. Wo ganze Landesteile von Drogenmafias und Paramilitärs kontrolliert werden, ohne dass Polizei und Streitkräfte eingreifen wollen oder können, kann man selbst mit guten Argumenten von einem humanitären Notstand sprechen.

Auch der in Peru der Korruption samt Komplizenschaft mit dem autoritär regierenden Ex-Staatschef Fujimori beschuldigte Präsident Pedro Kuczynski ist kein Prototyp eines aufrechten Demokraten.

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Selbst diese Regierungen reagierten jedoch skeptisch bis ablehnend auf die Idee eines möglichen militärischen Abenteuers auf lateinamerikanischem Boden. Auch andere rechte Staatsoberhäupter äußerten sich eher negativ. Gleich zu Beginn erhielt Tillerson eine klare Absage von Mexikos Außenminister Luis Videgaray:

Mexiko wird unter gar keinen Umständen die Anwendung interner oder externer Gewalt in Betracht ziehen, um das Problem Venezuela zu lösen. Die Venezolaner werden selbst einen friedlichen Weg finden, um ihre Probleme zu bereinigen.

Einhelliges Bekenntnis zu innerstaatlichem demokratischem Prozess

Als kurz nach dem Tillerson-Besuch in Kolumbien der Nachbarstaat Venezuela den Verdacht äußerte, das Land könnte eine militärische Operation vorbereiten, wies die kolumbianische Außenministerin María Ángela Holguín diese Befürchtung zurück:

Wir haben selbst genügend Probleme, als dass wir an eine militärische Intervention in Venezuela denken könnten. Wir haben noch nie daran gedacht", erklärte sie vor der Presse.

In Argentinien folgte Präsident Mauricio Macri ebenfalls der in Lateinamerika vorherrschenden Linie, eine allfällige militärische Intervention gegen die Regierung Maduro nicht zu unterstützen:

In Venezuela ist nur ein demokratischer Übergang möglich", meinte Macri dazu.

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In Peru gab es diesbezüglich keine klare öffentliche Aussage des Präsidenten. Abgesehen von der wechselseitigen Bestätigung gleicher Sichtweisen im Fall von Venezuela habe man gemeinsam lediglich darüber gesprochen,

Venezuela wieder auf den richtigen Weg zu bringen.

Rex Tillerson bemerkte in dem Andenstaat mit diplomatischem Geschick, die Teilnahme von Nicolas Maduro am Gipfeltreffen der amerikanischen Staaten am 13. und 14. April bereite den USA keine großen Sorgen. US-Präsident Donald Trump und Nicolas Maduro wären auf dem Gipfel aufeinandergetroffen.

Kuczynski lädt Maduro von Andengipfel aus

Dieses Problem wollte Präsident Pedro Kuczynski allerdings seinerseits gerne im Vorfeld lösen. Kurz nach Abreise des hohen Gastes machte er seine zuvor bereits schriftlich übermittelte Einladung an Maduro rückgängig. Er lud ihn entgegen allen Regeln der Organisation wieder aus. Peru hat dieses Jahr den Vorsitz des Treffens inne. Von den 36 amerikanischen Staaten gehören 12 der Gruppe von Lima an und proklamieren regelmäßig Forderungen, mit denen sie sich in die Innenpolitik Venezuelas einmischen.

Als Reaktion auf den regelwidrigen Ausschluss Venezuela meldete sich der chilenische Außenminister, Heraldo Muñoz, zu Wort. Sein Land werde "keine Intervention militärischer oder anderer Art gegenüber Venezuela unterstützen", erklärte der Minister am 13. Februar anlässlich seiner Teilnahme am Treffen der Gruppe von Lima und fügte hinzu:

Wir unterstützen eine friedliche, politische Lösung an den Wahlurnen für die Lage in Venezuela.

Die Gruppe von 12 Staaten unterstützt bisher die Opposition Venezuelas und ist Sprachrohr der US-Auffassungen zu diesem Thema. Da sie im Rahmen der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) eine Minderheitenposition gegenüber Venezuela vertritt, musste sie sich in einer losen Formation als Gruppe von Lima internationales Gehör verschaffen.

Am 17. Februar kritisierte indessen der Interims-Außenminister Uruguays, Gabriel Bergamino, in einem Interview das nicht abgesprochene Vorgehen Perus.

Ausschlüsse und Drohungen bringen nicht weiter", betonte er und ergänzte: "Die Probleme der Venezolaner müssen die Venezolaner selbst im Rahmen des Friedens, des Dialogs und im Rahmen von Recht und Gesetz lösen."

Bergamino betonte, dass die Gruppe von Lima weder einen juristischen Status noch einen institutionellen Rahmen besitzt, weswegen Uruguay nicht daran teilnimmt.

"Amerika den Amerikanern"

Noch kurz vor seiner Abreise hatte Tillerson in einer Rede vor der Universität Austin auch an die umstrittene Monroe-Doktrin erinnert. Der US-Außenminister versicherte, dass die umstrittene Doktrin aus dem Jahre 1823 heute so bedeutend sei wie in den Tagen, als sie niedergeschrieben wurde.

Nach dem Motto "Amerika den Amerikanern" hielten es die USA ihr zufolge für ihr natürliches Recht, Lateinamerika als ihren angestammten Hinterhof zu betrachten und dort ihre Interessen auch notfalls mit Militäreinsätzen zu verteidigen. Die zahlreichen kriegerischen Interventionen in Mittel- und Südamerika sind nicht vergessen. Tillersons Vorgänger John Kerry hatte 2013 die Monroe-Doktrin für überholt erklärt. Heute gehe es um ein gleichberechtigtes Verhältnis unter den Staaten der westlichen Hemisphäre.

Es ist kein Zufall, dass die USA auf ein vermeintliches hegemoniales Recht in der Region hinweisen. Der chinesische Außenminister Wang Yi hatte am 22. Januar am Treffen der 33 Staaten Lateinamerikas und der Karibik (CELAC) teilgenommen. Diese bestärkten ihren Wunsch, an dem weltumspannenden chinesische Handels- und Entwicklungsprojekt "Neue Seidenstraße" teilzunehmen. Das riesige Projekt soll China mit fernen Märkten in Europa und Südamerika verbinden, wofür neue Verkehrswege für die Warenströme rund um den Erdball geplant sind. China ist heute der wichtigste Handelspartner von Argentinien, Brasilien, Chile und Peru.

Außenminister Rex Tillerson gab Lateinamerika denn auch einen guten Rat:

Lateinamerika braucht keine neuen imperialen Mächte, die nur auf ihre eigenen Interessen Wert legen. Die Vereinigten Staaten sind anders: Wir suchen keine kurzfristigen Verträge mit ungleichen Gewinnen, wir suchen Partner!