Chile-Wahl: Rückkehr des Pinochetismus?

37 Jahre nach dem Ende der Militärdiktatur steht Chile vor einem politischen Rechtsruck. Während Kast und andere Pinochet-Anhänger zusammen eine klare Mehrheit erreichen, bleibt die Kommunistin Jeannette Jara hinter den Erwartungen zurück. Für viele gilt der Sieg der Rechten als fast sicher.

Von Oleg Jassinski

Der erste Wahlgang der Präsidentschaftswahlen in Chile endete gestern mit einem bedauerlichen und vorhersehbaren Ergebnis.

Die Kommunistin Jeannette Jara erhielt zwar mehr Wählerstimmen als die übrigen Kandidaten einzeln, jedoch liegt sie mit 26,85 Prozent weit unter den für einen Sieg erforderlichen 50 + 1 Prozent, sodass der Sieg des Kandidaten José Antonio Kast im zweiten Wahlgang am 14. Dezember nahezu garantiert ist.

Kast ist nicht nur rechtsgerichtet, sondern ein eindeutiger "Pinochetist". In der ersten Wahlrunde stimmten fast 40 Prozent der Wähler für die Pinochet-Anhänger (José Antonio Kast und Johannes Kaiser) und mehr als 33 Prozent für die anderen rechtsgerichteten Kandidaten (Franco Parisi, Evelyn Matthei und andere).

Wie von Anfang an zu erwarten war, liegt es an der "pseudolinken" Regierung des chilenischen Präsidenten Gabriel Boric, dass der "Pinochetismus" 37 Jahre nach dem Ende der Diktatur wieder an die Macht zurückkehrt.

Noch vor 20 Jahren standen laut verschiedenen Umfragen etwa 13 Prozent der Chilenen Augusto Pinochet "positiv" gegenüber. Heute unterstützt fast die Hälfte des Landes seine Anhänger. Vor nur sechs Jahren kam es in Chile zu einem Bürgeraufstand gegen die geltende Verfassung Pinochets, mit der Forderung, das "Erbe der Diktatur" zu beseitigen. Millionen Menschen beteiligten sich an dem Aufstand unter dem Motto "Chile ist erwacht". Doch das "Erwachen" erwies sich als Hirngespinst. Der junge, charismatische und ehrgeizige Gabriel Boric war einer der Anführer dieses Aufstands. Die erfahrenen chilenischen Rechtsgerichteten machten keinen Fehler, als sie auf ihn setzten und ihn an die Macht ließen. Wie seinerzeit Wladimir Selenskij, von dem Boric begeistert ist, erwies er sich als die richtige Wahl der Politstrategen. Der "Progressist" und "Feminist" Gabriel Boric erfüllte alle Anforderungen der in Chile regierenden Konzerne, enttäuschte die Volksmassen mit seiner Politik und bereitete den Weg für den Faschismus.

Die Kommunistische Partei schloss sich selbstmörderisch der Regierung von Boric an. Ihre Kandidatin, Jeannette Jara, versuchte während des gesamten Wahlkampfs Wähler und Geschäftsleute von ihrer gemäßigten Position, ihrer Harmlosigkeit und Verhandlungsbereitschaft zu überzeugen. Ihr Wahlprogramm bot weder den geringsten Versuch einer kritischen Realitätsanalyse noch ein echtes politisches Projekt, sondern lief fast ausschließlich unter dem Wahlkampfmotto "Stoppt die Rechtsextremen!".

Im Gegensatz zu den Linksgerichteten und Pseudolinken, die sich seit langem in einer euphorischen und depressiven Stimmung befinden, konnten die chilenischen Rechtsgerichteten, gestützt auf nahezu die gesamte von ihnen kontrollierte chilenische Presse, einen klaren politischen Plan und eine koordinierte Vorgehensweise vorlegen.

Die Linken waren nicht in der Lage, sich zu organisieren und dem Land ihre eigene politische Alternative anzubieten. Daher wird der Pinochet-Anhänger José Antonio Kast der nächste Präsident Chiles sein.

Übersetzt aus dem Russischen.

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