Jahrhundert-Hurrikan Melissa: Jamaikaner verweigern Evakuierungen wegen "schlechter Erfahrungen"

Melissa sei der schlimmste Sturm, der je gemessen wurde, oder der je in diesem Jahr gemessen wurde, oder der je auf Jamaika getroffen sei. Die Berichterstattung ist sich nur in einem einig: Die Jamaikaner sind bedroht. Aber viele wollen sich gar nicht evakuieren lassen und bleiben lieber in ihren Häusern.

Die Medien warnen vor einem Katastrophen-Hurrikan in der Karibik. Reuters bewertet das Ereignis als schlimmsten Sturm des Jahrhunderts, während es für die BBC der stärkste Sturm dieses Jahres ist. Und der WDR weiß immerhin noch zu berichten, dass es sich um den stärksten, Sturm handele, den man je auf Jamaika gemessen habe.

Die angekündigte große Katastrophe wird seit Tagen medial begleitet und mit Livetickern auf den neuesten Stand gebracht. Heute trifft Hurrikan "Melissa" auf die karibische Insel Jamaika. Der Sturm wird als sogenannter Kategorie 5 Hurrikan eingeordnet und soll Böen von rund 300 Kilometern pro Stunde mit sich bringen. Seit dem Wochenende klärte auch n-tv über die zu erwartende Katastrophe auf. 

Am frühen Dienstagnachmittag berichtete der Sender, dass die ersten Ausläufer des Sturms, die sich über hunderte von Kilometern erstreckten, mittlerweile auf die Insel träfen. Allmählich würde sich der Sturm dort intensivieren und auch die Hauptstadt Kingston nicht verschonen. Die gefährlichsten Windgeschwindigkeiten spielten sich im Wolkenkranz um das Auge des Sturms ab. Die bisher gemessenen Windspitzen von bis zu 315 Kilometern pro Stunde machten "Melissa" in der Karibik zum stärksten Sturm seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, so n-tv.

Neben den hohen Windgeschwindigkeiten würden in den nächsten 24 Stunden auch sintflutartige Regenfälle erwartet, die mehrere Stunden andauern könnten. Der Sender prognostizierte für die Region zwischen 500 und 800 Litern innerhalb von 24 Stunden. An der Küste drohten Wellen bis zu 4 Metern Höhe und Überflutungen. Man rechne mit katastrophalen Folgen.

Da sich "Melissa" relativ langsam auf Jamaika zubewege, schreibt der WDR, rechne man auch damit, dass er lange über dem Land bleiben und umso mehr Schaden anrichten könne. Bereits im Vorfeld, als nur erste Ausläufer die Insel erreichten, meldeten die Behörden Erdrutsche, umgeknickte Bäume und Stromausfälle. Einen durchziehenden Hurrikan der höchsten Kategorie 5 könne kein sich auf seinem Weg befindendes Bauwerk unbeschadet überstehen. So warnte der jamaikanische Premierminister Andrew Holness, der dieses Amt seit 2016 innehat, die ansässigen Bewohner. 

Dem WDR-Bericht zufolge habe der Sturm, schon bevor er die jamaikanische Küste mit voller Wucht erreicht habe, mehrere Todesopfer in der Karibik verursacht: drei in Haiti, eines in der benachbarten Dominikanischen Republik und drei auf Jamaika. Seit der vergangenen Nacht würden sich viele Bewohner sowohl in Notunterkünften als auch in ihren Häusern verschanzen und dort ausharren, bis die Gefahr vorüber sei.

Zuvor wurden die Inselbevölkerung vom US-Hurrikan-Zentrum (NHC) vor "katastrophalen Überschwemmungen" gewarnt und dazu aufgerufen, sich in Sicherheit zu bringen bzw. ihre Wohnstätten zu verlassen. Die Evakuierungsanweisung hätten die meisten Bewohner aber ignoriert. Die meisten Familien seien in den hochwassergefährdeten Orten geblieben. Sie seien nicht den von der Regierung angeordneten Evakuierungen gefolgt, berichtete Colin Bogle, ein Berater der Hilfsorganisation Mercy Corps in der Nähe von Jamaikas Hauptstadt Kingston.

Der WDR zitierte dazu die Aussage von Roy Brown aus der Hafenstadt Port Royal: "Ich gehe nicht weg", erklärte dieser und verwies auf schlechte Erfahrungen mit den staatlichen Hurrikan-Schutzunterkünften in der Vergangenheit. Entsprechend habe sich auch die Fischerin Jennifer Ramdial geäußert: "Ich will einfach nicht weg." Offenbar kann man eine Bevölkerung trotz Katastrophenankündigung nicht in jedem Fall dazu bewegen, ihre Häuser zu verlassen. 

Der Sturm sei mittlerweile auf Jamaika eingetroffen, meldet die BBC um 15:24 Uhr. Die normale Stromversorgung sei bereits zusammen gebrochen. Dafür liefen nun Generatoren. In einer Kurzmeldung zitiert die BBC Beobachtungen von zwei Menschen auf Jamaika: Eine Britin habe dem britischen Medium berichtet: "Es gibt dieses seltsame Dröhnen … als würde etwas kommen", und ein Jamaikaner sagte: "Die Winde sind so stark, dass man nicht stehen bleiben kann."

Im Gegensatz zu seiner offiziellen Unabhängigkeit im Jahr 1962 untersteht Jamaika formell dem Staatsoberhaupt König Charles III. aus Großbritannien. Der britische König hat dort einen Stellvertreter als Generalgouverneur ernannt, der die zum britischen Commonwealth gehörige Insel regiert.

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