Erstmals wird in Mexiko eine Frau an der Spitze des Staates stehen: Laut offiziellen Hochrechnungen von Montag setzte sich die linke Favoritin und frühere Bürgermeisterin von Mexiko-Stadt, Claudia Sheinbaum, bei der Präsidentschaftswahl am Sonntag deutlich durch.
Die Regierungskandidatin und studierte Physikerin, die als klare Favoritin galt, erhielt zwischen 58,3 und 60,7 Prozent der Stimmen, wie das Wahlamt des lateinamerikanischen Landes am Sonntagabend Ortszeit (Montagfrüh MESZ) mitteilte.
Nach Auszählung von rund 5.600 repräsentativen Wahllokalen rangierte Oppositionskandidatin Xóchitl Gálvez mit 26,6 bis 28,6 Prozent der Stimmen abgeschlagen auf dem zweiten Platz. Auf dem dritten Rang lag der einzige männliche Kandidat bei der Wahl, Jorge Álvarez Máynez, mit knapp über zehn Prozent der Stimmen.
Bereits vor der Veröffentlichung der offiziellen Hochrechnungen hatten Prognosen der Wahlbehörde INE und Nachwahlbefragungen des Meinungsforschungsinstituts Enkoll Sheinbaum einen klaren Sieg attestiert. Die Presse bezeichnete sie bereits als Wahlsiegerin.
Fast 100 Millionen Wahlberechtigte waren zum Urnengang aufgerufen. Das Problem der in Mexiko grassierenden Gewalt prägte den Wahlkampf und auch den Wahltag selbst. Noch in der Nacht auf den Sonntag erschossen Unbekannte im westlichen Bundesstaat Michoacan den 35-jährigen Kandidaten Israel Delgado. Mindestens 25 weitere Kandidaten waren in den Monaten zuvor ermordet worden.
Hohe Erwartungen an Sheinbaum
Die 61-jährige Sheinbaum lag in den drei Monaten des Wahlkampfs in allen Umfragen deutlich vor ihrer stärksten Rivalin, der Mitte-rechts-Kandidatin Gálvez, die für ein Bündnis aus drei Oppositionsparteien antrat. "Das ist ein historischer Tag, ich bin sehr glücklich", hatte Sheinbaum auf dem Weg zu ihrer Stimmabgabe in Mexiko-Stadt gesagt. "Lang lebe die Demokratie!", rief sie, nachdem sie den Stimmzettel in die Urne geworfen hatte.
Die Einwohner der Hauptstadt kennen Sheinbaum, Enkelin europäischer Juden, aus ihrer Zeit als Bürgermeisterin (2018 bis 2023). Die Politikerin profitiert auch von der Popularität des scheidenden Staatschefs Andrés Manuel López Obrador, der die Linke 2018 in Mexiko an die Macht brachte und nicht mehr für eine zweite Amtszeit antreten darf.
"Eine Frau als Präsidentin bedeutet eine Veränderung – hoffen wir, dass sie mehr für dieses Land tun wird", sagte die 55-jährige Wählerin Clemencia Hernandez, "die Gewalt gegen Frauen liegt hier bei hundert Prozent."
In der zweitgrößten Volkswirtschaft Lateinamerikas wurde nicht nur eine neue Präsidentin gewählt. Auch die Mandate für Abgeordnetenhaus und Senat wurden neu vergeben, in neun Bundesstaaten wurden die Gouverneure gewählt und in zahlreichen Kommunen die Lokalpolitiker. Landesweit ging es insgesamt um rund 20.000 Posten – so viele wie bei keiner Wahl zuvor in Mexiko.
Schwieriger Nachbar USA
Der Kampf gegen die grassierende Banden- und Drogenkriminalität in Mexiko dürfte auch für die neue Präsidentin die größte Herausforderung sein, sagte Michael Shifter vom Thinktank Inter-American Dialogue mit Sitz in Washington.
Seit Beginn eines umstrittenen Militäreinsatzes gegen die Drogenkartelle im Jahr 2006 wurden in Mexiko insgesamt mehr als 450.000 Menschen getötet, weitere 100.000 Menschen gelten als vermisst.
Ein weiteres Thema ist die komplexe Beziehung zum mächtigen nördlichen Nachbarn USA. Aktuell fordert die US-Regierung von Mexiko eine Eindämmung des Handels mit der synthetisch hergestellten Droge Fentanyl, die in den USA eine Opioidwelle mit Tausenden Toten ausgelöst hat.
Die mexikanische Regierung hat ihrerseits vor zwei US-Gerichten Prozesse gegen US-Waffenhersteller angestrengt, deren Waffen sie für zahllose Tote im Land verantwortlich macht.
Dauerbrenner im bilateralen Verhältnis ist das ungelöste Problem der irregulären Zuwanderung von Mexiko in die USA. Laut Behörden gab es auf der US-Seite allein im vergangenen Jahr 2,4 Millionen Festnahmen.
Viel wird für "la presidenta" freilich auch vom Ausgang der Präsidentschaftswahl in den USA abhängen. Am 5. November entscheidet sich, ob es Mexiko noch einmal mit Donald Trump im Weißen Haus zu tun bekommt, der in seiner ersten Amtszeit insbesondere gegenüber Mexiko eine harte Linie verfolgte.
Wird Sheinbaum Präsidentin, ist fraglich, ob sie sich noch auf eine Mehrheit im Kongress stützen kann. Bei der Zwischenwahl 2021 hatte ihre Partei Movimiento Regeneración Nacional die absolute Mehrheit verloren.
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