Der ecuadorianische Staats- und Regierungschef Guillermo Lasso hat am 17. Mai auf eine drastische Maßnahme zurückgegriffen, um einer drohenden Absetzung durch das oppositionelle Parlament zu entgehen. Der Politiker löste per Dekret die Nationalversammlung in Quito auf. Seine Entscheidung begründete er mit einer schweren politischen Krise und inneren Unruhen.
Somit ist Lasso der erste Präsident des südamerikanischen Landes, der auf einen in der ecuadorianischen Verfassung verankerten Mechanismus zurückgreift, der als "muerte cruzada" oder "beiderseitiger Tod" bezeichnet wird. Dieser ermöglicht dem Staatschef einmalig und lediglich binnen der ersten drei Jahre im Amt, das Parlament aufzulösen, wenn dieses seine Regierungsfähigkeit beeinträchtigt. Danach sollen aber innerhalb von sechs Monaten das Parlament und das Staatsoberhaupt neu gewählt werden.
Für viele Ecuadorianer war die Auflösung des Parlaments eine Überraschung, obwohl nicht ganz unerwartet. Lasso war im Jahr 2021 zum Staatschef gewählt worden. Der Ex-Banker kämpfte von Anfang an mit einem erbitterten Widerstand seitens der Opposition. Es kam zu Massenprotesten und einem Generalstreik, den mächtige Indigenen-Verbände ausgerufen hatten. Der Politiker musste deswegen im Jahr 2022 den Ausnahmezustand verhängen. Anfang dieses Jahres wurde Lasso beschuldigt, im Zusammenhang mit Öltransportverträgen Geld veruntreut zu haben. Er wies zwar alle Anschuldigungen zurück, in der vergangenen Woche stimmte aber das Parlament für den Beginn eines Amtsenthebungsverfahrens gegen den Staatschef.
Bis zu den Neuwahlen bleibt Lasso im Amt und regiert per Dekret. Damit zeigt sich neben der Opposition auch der größte Indigenen-Verband CONAIE unzufrieden, der von einer Diktatur spricht und die Situation analysieren will. Das Militär sieht keine Verstöße gegen die Landesverfassung und unterstützt den Präsidenten.
Mehr zum Thema - Gewaltwelle in Ecuador: Plünderungen, Bombenexplosionen und Morde an Polizisten