Brasilien ist nach Argentinien das zweite Land der Welt, das den Anbau, die Produktion und die Vermarktung von sogenanntem HB4-Weizen als eine trockenheitsresistente gentechnisch veränderte Weizensorte eines argentinischen Agrarunternehmens, der Gruppe Bioceres, genehmigt hat. Der Antrag auf Genehmigung war zuvor von Tropical Melhoramento & Genética (TMG) gestellt worden, einem brasilianischen Partnerinstitut von Bioceres. In einer Erklärung vom Freitag bestätigte das Unternehmen, dass Brasilien die Sicherheitsprüfung seines HB4-Weizens abgeschlossen und damit die vollständige Zulassung für die Vermarktung und den Anbau in dem Land erteilt habe.
Das HaHB4-Gen gehört zu einer Gruppe von Genen, die an Stressreaktionen von Pflanzen beteiligt sind. Laut Gentechnik-Forschern helfen diese der Pflanze, extreme Umwelteinflüsse wie Wassermangel auszugleichen. Insofern biete HB4-Weizen unter Anbaubedingungen, die normalerweise den Weizen-Ertrag verringern, einen Ertragsvorteil. Glaubt man dem Internetportal Transgen, so soll der HB4-Weizen unter Trockenstress 20 Prozent mehr Erträge geliefert haben als herkömmliche Sorten. Bioceres hatte das HB4-Gen, das der Pflanze helfen soll, gut mit Trockenheit und salzigen Böden zurechtzukommen, aus der Sonnenblume identifiziert, in Soja, Luzerne, Mais, Zuckerrohr und nun auch in Weizen eingebaut.
Während mehrere Länder bereits Importe des dürreresistenten Weizens akzeptieren, ist Brasilien allerdings erst das zweite Land, das auch den Anbau der veränderten Sorte zulässt. Im Jahr 2021 hatte Brasilien als einziges Land bereits die Einfuhr von mit GVO-Weizen hergestelltem Mehl genehmigt. Diese Entscheidung löste eine weltweite Diskussion über gentechnisch veränderten Weizen aus, da die Preise stiegen und die Sorge wuchs, dass schwerere Unwetter die Ernährungssicherheit gefährden könnten.
Bioceres wirbt mit der Dürreresistenz des neuen Gen-Produktes. Dabei verschweigt das Unternehmen jedoch zu gern, dass das Gen-Getreide ein weiteres Fremd-Gen aus einem Bakterium enthält, das ersten Untersuchungen zufolge eine Toleranz gegenüber dem Herbizid (Unkrautvernichtungsmittel) Glufosinat, einem Herbizid-Wirkstoff, der noch toxischer ist als das umstrittene Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat, aufweist. Sowohl die Bundesregierung als auch die Europäische Kommission stufen Glufosinat als "reproduktionstoxisch" ein. Während der Einsatz von Glufosinat in der EU bereits seit 2018 verboten ist, ist er in Brasilien dagegen weiterhin erlaubt.
Angesichts des hohen Pestizid-Einsatzes verschmutzt der Anbau der neuen Gen-Getreides somit nicht nur das Grundwasser der betroffenen Regionen, sondern schädigt auch die Gesundheit der Anwohner und Konsumenten. Forschungsergebnisse belegen zudem, dass der Kontakt mit Glufosinat-Ammonium bei Föten zu einer verminderten Bewegungsaktivität führt, die bei Versuchen mit Säugetieren eine Verschlechterung des Gedächtnisses und des Verhaltens analog zum Autismus bewirkten. Auch belegten Forschungsergebnisse, dass das Herbizid die Qualität und das Erbgut von Säugetier-Spermien veränderte.
Während gentechnisch veränderte Sojabohnen zwar bereits seit Langem auf den Weltmärkten akzeptiert werden, werden diese im Gegensatz zum HB4-Weizen in erster Linie an Nutztiere verfüttert und eben nicht von Menschen konsumiert. Trotz anhaltender Skepsis gegenüber gentechnisch verändertem Weizen scheinen sich die Akteure der Branche dennoch langsam für das Konzept begeistern zu können.
So lehnte etwa ein Handelsverband ABIMAPI (Associação Brasileira das Indústrias de Biscoitos, Massas Alimentícias e Pães & Bolos Industrializados), der in Brasilien Bäcker, Nudelhersteller und andere Hersteller von Getreideprodukten vertritt, GVO-Weizen zunächst ab, schwenkte aber kürzlich um, nachdem er eine Umfrage zur öffentlichen Meinung in Auftrag gegeben hatte. In dieser gaben 70 Prozent der Brasilianer an, dass sie gar nichts dagegen hätten, Lebensmittel zu konsumieren, die gentechnisch veränderten Weizen enthalten.
Brasilien und sein Nachbarland Argentinien produzieren den Löwenanteil des südamerikanischen Weizens. Trotz einer Dürre wird erwartet, dass die beiden Länder in dieser Saison voraussichtlich über 20 Millionen Tonnen Weizen ernten werden. Der Import von landwirtschaftlichen Erzeugnissen aus Brasilien verhilft Deutschland zu seiner Vielzahl von Produkten. Allein 2021 exportierte das Land Waren im Wert von 7,5 Milliarden Euro nach Deutschland.
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