Der ehemalige brasilianische Präsident Jair Bolsonaro hat jede Verantwortung für die Unruhen in der Hauptstadt Brasília am Sonntag zurückgewiesen. Zuvor hatte der erst vergangene Woche vereidigte neue Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva seinen rechtsgerichteten Vorgänger beschuldigt, die Köpfe seiner Anhänger mit Extremismus gefüllt zu haben. Jene hatten Stunden zuvor das Regierungsviertel in der Hauptstadt gestürmt.
Am Sonntagabend twitterte Bolsonaro:
"Friedliche Demonstrationen in Form von Gesetzen sind Teil der Demokratie. Plünderungen und Eindringen in öffentliche Gebäude, wie sie heute stattgefunden haben, sowie diejenigen, die von der Linken 2013 und 2017 praktiziert wurden, fallen jedoch nicht unter diese Regel."
Seine Nachricht kam, kurz nachdem die Sicherheitskräfte des Landes, nach mehrstündigen Zusammenstößen mit den Demonstranten, die Kontrolle über die Regierungsgebäude wiedererlangt hatten. "Ich weise die Anschuldigungen ohne Beweise zurück, die mir vom derzeitigen Leiter der brasilianischen Exekutive zugeschrieben werden", fügte Bolsonaro hinzu, ohne Lula beim Namen zu nennen. Der ehemalige Staatschef verließ Brasilien einige Tage vor der traditionellen Vereidigungszeremonie am 1. Januar, um den Sieg des Linken nicht durch seine Anwesenheit zu legitimieren.
"Dieser Völkermörder ermutigt dies über die sozialen Medien von Miami aus", behauptete Lula in einer Fernsehansprache am Sonntag und machte seinen Vorgänger für die "beispiellose" Gewalt an diesem Tag verantwortlich. Er gelobte, die Verantwortlichen für das Chaos "mit der Kraft des Gesetzes" zur Rechenschaft zu ziehen, und versprach, die "Finanziers" der Unruhen zu ermitteln.
Am Sonntag waren Tausende Anhänger von Bolsonaro bei einem erneuten Protestmarsch durch die Hauptstadt Brasília gezogen und hatten die Behauptung wiederholt, dass Brasiliens elektronisches Wahlsystem für Betrug und andere Unregelmäßigkeiten bei der Stimmabgabe anfällig sei. Nachdem sie den "Praça dos Três Poderes" – Platz der drei Gewalten –, die der Exekutive, der Legislative und der Judikative gewidmet sind, erreichten, stürmten Tausende von Demonstranten durch die Absperrungen und drangen in den Kongress, den Obersten Gerichtshof sowie den Präsidentenpalast ein.
Während die Menschenmengen drinnen Chaos und Verwüstung anrichteten, hatten die Sicherheitskräfte Mühe, die Unruhen unter Kontrolle zu bringen. Der Präsident, der sich zu diesem Zeitpunkt in São Paulo aufhielt, sah sich gezwungen, den Notstand im Bundesdistrikt Brasília auszurufen und Justizminister Ricardo Garcia Capelli mit der Führung der "föderalen Intervention" zu beauftragen.
Am Sonntagabend gelang es der Polizei nach stundenlangen Zusammenstößen und Hunderten von Verhaftungen sowie nach Einsatz von Tränengas und Wasserwerfern, schließlich die Kontrolle über die Regierungsgebäude wiederzuerlangen. Die Behörden gaben wenig später bekannt, dass mindestens 300 Personen festgenommen wurden. Der Justizminister warnte, dass die Verhaftungen noch die ganze Nacht andauern würden, da die Behörden versuchen, alle Personen zu identifizieren, die in die Geschehnisse verwickelt sind, was er als "terroristischen Akt" und versuchten "Staatsstreich" bezeichnete.
Mehr zum Thema - "Putsch ins Nirgendwo" – Weltweites Entsetzen über Vorfälle in Brasilien