Einen Monat nach der Beendigung eines 36-tätigen Streiks im Zusammenhang mit einer verschobenen Volkszählung hat sich die politische Situation in Bolivien erneut zugespitzt. Am 28. Dezember nahm die Polizei des Andenlandes den oppositionellen Gouverneur der Protestprovinz Santa Cruz fest.
Die Generalstaatsanwaltschaft teilte mit, dass Luis Fernando Camacho im Zusammenhang mit der Untersuchung des Staatsstreichs gegen den ehemaligen Präsidenten Evo Morales im November 2019 und der folgenden Vereidigung der Übergangspräsidentin Jeanine Áñez verhaftet worden sei. In der entsprechenden Mitteilung wurde hervorgehoben:
"Bei der Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft handelt es sich um keine Entführung und keine politische Verfolgung."
Der Haftbefehl sei noch in diesem Oktober von einem Gericht in La Paz erstellt worden. Der Verdächtige sei über die laufende Ermittlung seit ihrem Beginn am 20. November 2020 im Bilde, hieß es.
Camacho wurde anschließend gegen 16:00 Uhr Ortszeit von El Alto nach La Paz verlegt. Laut örtlichen Medien hätten die Behörden den Gouverneur noch im November verhören wollen. Die Vorladung sei allerdings wegen des Streiks in Santa Cruz verschoben worden.
Die Verhaftung des oppositionellen Politikers führte in der bevölkerungsreichsten und wirtschaftsstärksten Provinz zu gewalttätigen Protesten und Ausschreitungen. Hunderte Anhänger von Camacho gingen auf die Straße, um ihren Missmut kundzutun. Randalierer griffen Polizeiautos an. Es kam zu Zusammenstößen mit Sicherheitskräften.
Auf Videos und Fotos aus der Stadt Santa Cruz sind Straßenblockaden zu sehen.
Ein Video zeigt einen Brand im Gebäude der Generalstaatsanwaltschaft von Santa Cruz. Berichte über mögliche Opfer und Festnahmen lagen zunächst nicht vor.
Mehrere Protestierende besetzten außerdem die Start- und Landebahnen des landesweit größten und wichtigsten Flughafens Viru Viru. Die Protestierenden drohten, dass kein Flugzeug abheben werde, bis Camacho wieder vor die Öffentlichkeit treten werde. Infolge des Chaos wurde der Betrieb des Airports eingestellt. Alle Flüge wurden bis auf weiteres gestrichen.
Gleichzeitig fand in der Stadt El Alto eine Kundgebung statt, dessen Teilnehmer die Regierung aufforderten, Camacho wegen des sogenannten Senkata-Massakers im November 2019 zur Verantwortung zu ziehen.
Nach dem erzwungenen Rücktritt des damaligen Staatschefs Evo Morales waren dort massenhafte Proteste ausgebrochen. Im Bezirk Senkata blockierten mehrere Demonstranten ein Werk des staatlichen Erdöl- und Erdgasunternehmens YPFB. Die Polizei und das Heer setzten Tränengas und Schusswaffen ein. Elf Menschen kamen damals ums Leben, weitere 78 erlitten Verletzungen.
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