Die neue kolumbianische Bergbau- und Energieministerin Irene Vélez hat in einem Interview mit dem Sender Blu Radio erklärt, ihre Regierung werde sich im Fall mangelnder Gasreserven an Venezuela wenden, um die Gasversorgung im Inland zu sichern. Die von Präsident Gustavo Petro in Aussicht gestellte Energiewende bezeichnete die Ministerin als eine große Herausforderung. Demnach soll das Extraktivismus-Modell stufenweise heruntergefahren werden.
Gas aus Venezuela
Vélez teilte im Interview mit, dass Kolumbien über Gasreserven für die nächsten sieben oder acht Jahre verfüge. Sollte der Energiesektor zusätzlich mit Brennstoff versorgt werden oder sollten die bereits vorhandenen Reserven für den inneren Bedarf nicht ausreichen, bräuchte das südamerikanische Land andere Lösungen – wie zum Beispiel sich mit anderen Ländern in Verbindung zu setzen. Dabei schloss die Ministerin Gaslieferungen aus dem benachbarten Venezuela nicht aus, das in diesem Jahr seine Förderung von Kohlenwasserstoffen, darunter Gas, steigern wollte.
"Sollten unsere Gasreserven nicht ausreichen, könnten wir uns an Venezuela wenden."
Die Beziehungen zwischen den benachbarten südamerikanischen Ländern sind seit dem Jahr 2019 abgebrochen. In Bezug auf die nachgewiesenen Gasreserven belegt Venezuela die achte Zeile im weltweiten Ranking. Allerdings begrüßen nicht alle Branchenexperten diese Möglichkeit. Die Chefin des Kolumbianischen Gasverbandes (Naturgas), Luz Stella Murgas, ist der Meinung, dass Gasimporte aus Venezuela kein Plan sein sollten. Denn dies würde bedeuten, Kolumbiens "Unabhängigkeit im Energiebereich aufzuopfern". Außerdem verfüge Kolumbien über keine geeignete Infrastruktur, um Gas aus Maracaibo zu importieren. Diese aufzubauen hieße, die Gaspreise in Kolumbien beinahe zu verfünffachen.
"Das Gas, das wir in Kolumbien verbrauchen, wird zu 100 Prozent hier produziert. Das Land importiert kein Gas aus anderen Teilen der Welt und exportiert es nicht, daher sein Preis und seine Qualität."
Morgas zufolge wäre ein besserer Ausweg, neue Gasvorkommen im Inland zu erschließen.
Diplomatische Beziehungen
Die kolumbianische Energieministerin erklärte ferner, dass Gasimporte aus dem Nachbarland erst nach einer Normalisierung der bilateralen Beziehungen möglich wären. Bislang hätten Bogotá und Caracas nur ihre Botschafter designiert und hofften auf eine baldige Annäherung.
"Wir hoffen, dass diese diplomatischen Beziehungen uns auch zu anderen strategischen Beziehungen führen werden."
Ende Juli hatten sich der venezolanische Außenminister Carlos Faría und sein damals designierter kolumbianischer Amtskollege Álvaro Leyva in San Cristóbal, der Hauptstadt des Bundesstaats Táchira im Westen Venezuelas, getroffen. Dabei bekundeten sie ihre Absicht, das zwischenstaatliche Verhältnis ab dem 7. August allmählich zu verbessern. Unter der vorigen Regierung von Iván Duque waren die Beziehungen zwischen Bogotá und Caracas äußerst angespannt gewesen. Am 7. August gratulierte Venezuelas Präsident Nicolás Maduro dem neuen kolumbianischen Staatschef Petro zum Amtsantritt. Dieser gab bekannt, dass seine Regierung schon an der Wiederherstellung der Beziehungen zum Nachbarland arbeite.
Energiewende
In Bezug auf die angekündigte Energiewende sagte Vélez, dass er kein "Sprung ins Leere" sein werde. Alle 180 laufenden Verträge blieben zwar in Kraft. Neue Förderungsprojekte würden jedoch nicht entfaltet.
"Wir werden alternative Energien stärken, es wird eine Änderung in der Energie-Bilanz geben."
Die Ministerin betonte die Notwendigkeit, ein anderes Schema zu entwickeln, da die Gasreserven in Kolumbien begrenzt seien und sich allmählich erschöpften.
"Unsere Bürger haben für die Umweltgerechtigkeit, für die Sorge für unser großes Haus gestimmt. Jetzt werden wir für die Energie-Sicherheit sorgen."
Momentan suche man nach alternativen Energien, die mit fossilen Energiequellen koexistieren könnten, während sich die Energiewende vollziehe.
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