In seiner Rede beim Weltwirtschaftsforum in der Schweizer Gemeinde Davos hat der brasilianische Wirtschaftsminister Paulo Guedes die Haltung der Europäischen Union gegenüber den lateinamerikanischen Ländern kritisiert. Im zufolge könnte Brüssel Partner in dieser Region verlieren, wie es zuvor Russland verloren habe. Der Ökonom wurde am Mittwoch von dem brasilianischen Nachrichtenportal G1 mit den Worten zitiert:
"Ich habe den Europäern gesagt: 'Sie haben Russland verloren und verlieren jetzt Lateinamerika. Sie werden allein dastehen, wenn Sie nicht begreifen, dass Sie diejenigen integrieren müssen, die Sie zurückgelassen haben'."
Guedes erklärte ferner, dass auch Brasilien unter den Ländern gewesen sei, die zurückgelassen worden seien. Nun könne sein Land aber "dank einer neuen Achse" wachsen. Damit meinte der Wirtschaftsminister die erneuerbaren Energien, den IT-Bereich und die Lebensmittelsicherheit.
Der Ökonom verwies darauf, dass sich die wirtschaftliche Situation weltweit infolge der COVID-19-Pandemie und des Ukraine-Krieges drastisch ändere. So seien die Lieferungen aus Europa nach Brasilien während der Pandemie um 30 Prozent geschrumpft. Die Importe aus Asien ins südamerikanische Land seien dagegen um 40 Prozent gewachsen. Während die europäischen Staaten Handelsgebühren einführten, um ihre Arbeitsstellen zu schützen, senke Brasilien im Gegenteil seine Zolltarife.
"Wir öffnen uns, wir werden effizienter. Wir sind spät zur Party gekommen, aber wir sind sehr gut aufgelegt."
Als Beispiel führte Guedes Frankreich und Belgien an, die seiner Ansicht nach den Beitritt Brasiliens zur Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hinauszögerten, um ihre eigene Landwirtschaft vor der Konkurrenz aus Brasilien zu schützen. Dabei würden Paris und Brüssel allmählich irrelevant für die größte Wirtschaft Südamerikas. Zur Veranschaulichung seiner These führte der Wirtschaftsminister folgende Statistiken an: Während sich Brasiliens Handelsumsatz mit Frankreich und China zu Beginn des Jahrhunderts auf jeweils zwei Milliarden US-Dollar jährlich belaufen habe, seien es jetzt 120 Milliarden US-Dollar im Fall von China und nur sieben Milliarden US-Dollar im Fall von Frankreich.
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