Am Mittwoch ist der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro nach Moskau gekommen, um sich mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin zu treffen. Die Hauptthemen auf der Tagesordnung der Gespräche waren die wirtschaftlichen Beziehungen und der bilaterale Handel zwischen den beiden Staaten. Nach Ansicht der Südamerikaexpertin und Chefin des Lehrstuhls für Geschichte und Politik der Staaten Europas und Amerikas an der Moskauer Staatlichen Universität für Internationale Beziehungen Prof. Ljudmila Okunjewa ist jedoch der Besuch des brasilianischen Präsidenten inmitten der Spannungen um die Ukraine und angesichts der Vorwürfe des Westens über eine angebliche Aggression Russlands in Europa ein Zeichen dafür, dass Brasilien trotz des Drucks aus Washington eine unabhängige Außenpolitik betreibt.
Dieser Druck findet nach Angaben der Professorin nicht nur inoffiziell hinter geschlossenen Türen statt. Sie verwies in diesem Zusammenhang auf zwei Telefongespräche des US-Außenministers Antony Blinken mit dem Außenminister Brasiliens Carlos França:
"In diesen zwei Gesprächen hat das Weiße Haus seine Besorgnis angesichts des Besuchs ausgesprochen. Es sieht eine Annäherung zwischen Bolsonaro und Präsident Putin angesichts der Eskalation der Ukraine-Krise als zurzeit unangemessen an."
Während der Gespräche habe der US-Außenminister "die Notwendigkeit einer gemeinsamen standfesten Antwort der USA und Brasiliens auf die von Russland betriebene Politik" hervorgehoben, erklärte Okunjewa. Washington soll Brasilien seine Unterstützung bei der Integration in die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OWZE) zugesprochen haben. Die Professorin weiter:
"Ebenso haben die USA verkündet, dass Brasilien einen Teil der Verantwortung bei der Verteidigung demokratischer Prinzipien trage und diese Russland bei jeder Gelegenheit vor Augen führen sollte."
Das Treffen der Staatschefs Russlands und Brasiliens in Moskau lässt sich demnach als eine "objektive Distanzierung von der Politik der USA" wahrnehmen, meinte die Expertin:
"Das Außenministerium hat somit betont, dass es an einer friedlichen diplomatischen Beilegung der Krise, einem konstruktiven Dialog und dem Bestreben, sich nicht auf die Seite einer der Konfliktparteien zu stellen, festhalte."
Zudem wies die Professorin auf eine gegenseitig vorteilhafte wirtschaftliche Kooperation zwischen Russland und Brasilien hin. Beide Staaten seien daran interessiert, diese weiter zu entwickeln. Abschließend stellte die Wissenschaftlerin eine klare konservative Orientierung Bolsonaros fest und betonte dementsprechend dessen Nähe zum russischen Präsidenten.
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