Der ehemalige kolumbianische Präsident und Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos hat am Freitag in der Hauptstadt Bogotá vor der einheimischen Wahrheitskommission eine Aussage abgegeben. Das Verfahren dauerte mehr als drei Stunden. Dabei bat Santos um Entschuldigung für die Tötung von Tausenden Zivilisten während seiner Amtszeit als Verteidigungsminister in der Regierung von Präsident Álvaro Uribe.
"Das hätte nie passieren dürfen. Ich erkenne das an und bitte aus tiefster Seele um Vergebung bei allen Müttern und ihren Familien, die Opfer dieses Grauens wurden."
Mit diesem Bekenntnis wolle er keinesfalls die Schwere der Ereignisse in Kolumbien zwischen 2002 und 2008 herunterspielen, als Militärangehörige den Eid gebrochen hätten, das Leben der Kolumbianer zu verteidigen, und stattdessen ihre Mörder geworden seien. Von systemischen Tötungen wollte der Ex-Präsident jedoch nicht sprechen. Santos teilte mit, der Druck, beim Gegner Verluste zu produzieren, und die Belohnungen dafür seien zweifelsohne die Anreize für die Tötungen gewesen.
Der frühere Staatschef erläuterte in seiner Aussage außerdem die Maßnahmen, die er im Amt des Verteidigungsministers unternommen hatte, um außergerichtliche Hinrichtungen zu beenden, und berichtete über die Differenzen, die er mit seinem damaligen Chef Uribe gehabt hatte. So habe dieser die Existenz des bewaffneten Konflikts nachdrücklich geleugnet. Uribe habe die FARC-Kämpfer nur für Terroristen und Drogenhändler gehalten und die Guerilla militärisch besiegen wollen.
Das kolumbianische Militär hatte nach Angaben der Sonderjustiz für den Frieden (JEP) zwischen 2002 und 2008 mindestens 6.402 Zivilisten getötet und als feindliche Guerillakämpfer ausgegeben, um Quoten zu erfüllen und dafür Prämien zu bekommen. Bei den sogenannten "Falschen Positiven" handelte es sich häufig um junge Männer, die unter der Aussicht auf eine gut bezahlte Arbeit von zu Hause weggelockt worden waren. Santos war von 2006 bis 2009 Verteidigungsminister, von 2010 bis 2018 Präsident. Mütter und Familienangehörige wie in der Vereinigung "Mütter von Soacha" kämpfen bis heute um Gerechtigkeit.
Kolumbien hatte über 50 Jahre unter einem bewaffneten Konflikt zwischen Streitkräften, linken Guerillagruppen und rechten Paramilitärs gelitten. Während des Bürgerkriegs kamen mehr als 220.000 Menschen ums Leben, Millionen wurden innerhalb des südamerikanischen Landes vertrieben. Die größte Guerilla FARC schloss im Jahr 2016 einen Friedensvertrag mit der Regierung von Santos und legte die Waffen nieder. In dem Vertrag wurden auch eine besondere Gerichtsbarkeit und die Wahrheitskommission vereinbart, die den Frieden garantieren soll.
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(dpa/rt)