Während die letzten Stimmauszählungen im Nationalen Büro für Wahlprozesse (ONPE) in Peru liefen, deuteten die Ergebnisse bereits möglicherweise auf einen knappen Sieg des Sozialisten Pedro Castillo von Perú Libre (Freies Peru, PL) mit 50,2 Prozent hauchdünn vor der Rechts-Kandidatin Keiko Fujimori der Fuerza Popular (49,8 Prozent) hin.
Seit die Bevölkerung die Bekanntgabe des Gewinners der beiden Finalisten der Präsidentschaftswahlen vom Sonntag erwartet, hat es in mehreren Städten des Landes Demonstrationen gegeben.
Bereits am Wahlabend kam es zu Feiern von Anhängern beider Kandidaten, die beide den Wahlsieg jeweils für sich beanspruchten. Am Montagnachmittag, als 95 Prozent der Stimmzettel ausgezählt waren, lag Castillo mit 74.636 Stimmen oder 50,22 Prozent gegenüber Fujimoris 49,78 Prozent vorne. Kurz zuvor, bei 90 Prozent aller ausgezählten Stimmen, hatte Fujimori 50,35 Prozent der Stimmen gegenüber Castillos 49,64 Prozent und führte mit etwa 114.000 Stimmen. Peru hat 23,7 Millionen Wahlberechtigte, von denen nacheinander die Stimmen der Städte, der ländlichen Regionen – wo Castillo große Mehrheiten in den Anden-Departamentos erhielt – und zuletzt die der Auslandsperuaner ausgezählt werden. Es besteht Wahlpflicht in diesem Land. Auch zuletzt kamen laut La República wieder Unterstützer beider Kandidaten zum Hauptsitz des Nationalen Büros für Wahlprozesse (ONPE) in Lima, um den sofortigen Abschluss der offiziellen Auszählung zu fordern.
Castillo, ein Gewerkschafter und Lehrer, ist ein bekennender Linkssozialist und hat das Wahlprogramm der sich als marxistisch-leninistisch verstehenden Partei PL stark gemäßigt. Dennoch möchte auch er Unternehmen in Schlüsselsektoren der Wirtschaft wie Bergbau, Wasserkraft und Kommunikation verstaatlichen. So solle Peru seine wirtschaftliche Souveränität zurückzugewinnen und die Ungleichheit im Land verringert werden.
Keiko Fujimori, Tochter des japanisch-peruanischen Politikers und früheren Präsidenten Alberto Fujimori, der auch als Diktator bezeichnet und wegen Korruption und Verstoßes gegen die Menschenrechte seines Amtes als Präsident enthoben wurde, ist eine überzeugte Verfechterin der neoliberalen Wirtschaft und anderer rechtsgerichteter Akzente der Politik ihres Vaters. Sie kandidierte mit dem Versprechen, die Wirtschaft zu deregulieren, um private Investoren anzulocken. Sie sei auch eine Kandidatin "für Recht und Ordnung" und sagte, sie würde ihren Vater begnadigen, der noch seine Gefängnisstrafe wegen Korruption und Menschenrechtsverletzungen während seiner Regierungszeit verbüßt. Angesichts der für sie unvorteilhaften Ergebnisse behauptete Fujimori nun, diese seien auf einen angeblichen Wahlbetrug zurückzuführen.
"Es gibt Anzeichen für Betrug, die für uns inakzeptabel sind. Es gibt eine klare Absicht, den Volkswillen zu boykottieren", behauptete Fujimori, indem sie die Wahlunterlagen eines ländlichen Wahllokals zeigte, in welchem Castillo 187 Stimmen erhielt und sie null, keine einzige. Belege für einen Betrug lieferte sie nicht, hat jedoch bereits mehrere Anwälte beauftragt, die Wahlurnen zu prüfen.
Gruppen von Anhängern der Rechten marschierten zur Unterstützung der Tochter des Ex-Präsidenten Fujimori, der trotz seiner Gefängnisstrafe und trotz seiner Vergehen auch noch während der Strafverfolgung wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Jahr 2008 noch große Zustimmung von Teilen der Bevölkerung erhielt.
Zuvor hatten Berichte über einen vermeintlichen Wahlbeobachter von "Freies Peru" (PL) für Aufregung gesorgt, der bei der Manipulation von Stimmzetteln erwischt worden sein soll. Jedoch konnte der Mann vielmehr als Mitglied der Rechtspartei "Allianz für den Fortschritt" identifiziert werden. Die Linkspolitikerin Indira Huilca Flores kritisierte den Umgang der Medien mit diesem Betrugsversuch: "Der Infiltrierte war aus der Partei [des Fujimori-Verbündeten César] Acuña, und in den etablierten Medien erwähnt man das nicht. Das organisierte Verbrechen ist zu allem bereit."
Sowohl die Kommission der ausländischen Wahlbeobachter der OAS wie auch der Europäischen Union bestätigten, dass der Wahlprozess ohne Unregelmäßigkeiten verlief. Derweil bedankte sich Pedro Castillo bei denjenigen, die den Willen des Volkes, der in den Wahlen vom 6. Juni zum Ausdruck kam, wachsam verfolgt haben und wiederholte den Aufruf an die Wahlbehörden, die Demokratie zu respektieren.
Die beiden Finalisten der Wahl waren aus zu Beginn 18 Kandidaten hervorgegangen, die an der ersten Runde der Präsidentschaftswahl im April teilgenommen hatten. Damals kam Castillo mit 18,9 Prozent der Stimmen auf den ersten Platz, Fujimori erhielt 13,4 Prozent. Während das Ergebnis des knappen Wahlrennens abzuwarten bleibt, verbreitete sich der ironische Ruf, es sei nun höchste Zeit für Juan Guaidó, sich zum legitimen Präsidenten von Peru zu ernennen.
Der von den USA unterstützte venezolanische Politiker erhebt bekanntlich in seinem eigenen Land den Anspruch auf das Präsidentenamt, hat es aber trotz zahlreicher Versuche noch immer nicht geschafft, sich in Caracas als solcher selbst zu installieren.
Es wird erwartet, dass Castillo im Laufe des Mittwochs tatsächlich zum Wahlsieger erklärt wird. Doch Fujimori könnte das Ergebnis noch gerichtlich anfechten.
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