Nachdem die Staatsanwaltschaft der Provinz La Paz einen Haftbefehl gegen mehrere frühere Kabinettsmitglieder der bolivianischen Ex-Übergangspräsidentin Jeanine Áñez ausgestellt hatte, wurden am Freitag in Trinidad in der Provinz Beni zwei Minister in Gewahrsam genommen. Dabei handelte es sich um den früheren Energieminister Rodrigo Guzmán und den früheren Justizminister Álvaro Coimbra. Demnächst sollten sie nach La Paz befördert werden und sich wegen "Terrorismus und Aufstands" verantworten müssen.
Guzmán bezeichnete seine Verhaftung als "Entführung" und "Amtsmissbrauch", weil er über seine Festnahme nach eigenen Angaben nicht informiert worden war. Die neue Staatsführung nannte er eine Diktatur und eine Tyrannei.
Die ehemalige Übergangspräsidentin Áñez kritisierte die Verhaftungen scharf und sprach am Freitag auf Twitter von einer "politischen Verfolgung". Zugleich warf sie der regierenden Linkspartei MAS vor, in dem südamerikanischen Land zum "Stil der Diktatur" zurückzukehren.
"Die politische Verfolgung hat begonnen. Die MAS hat beschlossen, zum Stil der Diktatur zurückzukehren. Schade, denn Bolivien braucht keine Diktatoren, sondern Freiheit und Problemlösungen."
Die Politikerin verlinkte auf einen Haftbefehl wegen Terrorismus, Volksverhetzung und Verschwörung. Einige Stunden später gab Áñez in einem weiteren Tweet bekannt, dass die jetzige Regierung befohlen habe, sie zu verhaften. Man werfe ihr die Beteiligung an einem Staatsstreich vor, der niemals stattgefunden habe.
Die Behörden bestätigten die Verhaftung der früheren Interimspräsidentin. Dabei begründete man die Festnahmen der hochrangigen Politiker mit einem hohen Fluchtrisiko.
In den vergangenen Tagen waren schon Haftbefehle gegen Boliviens ehemaligen Polizeikommandanten Yuri Calderón und den ehemaligen Oberbefehlshaber der Streitkräfte Williams Kaliman erlassen worden.
Áñez hatte sich selbst zur Übergangspräsidentin ernannt, nachdem Präsident Evo Morales nach der Wahl im Oktober 2019 auf Druck des Militärs zurückgetreten war. Ihm wurde Wahlbetrug vorgeworfen. Dieser Vorwurf stellte sich im weiteren Verlauf als falsch heraus. Morales erhielt nach dem Putsch politisches Asyl in Mexiko. Der MAS-Kandidat Luis Arce entschied dann eine mehrfach verschobene Präsidentenwahl im Oktober für sich. Dies ermöglichte Morales die Rückkehr nach Bolivien. Die deutsche Bundesregierung hatte den Putsch gegen die gewählte bolivianische Regierung unter Morales als "wichtigen Schritt" bezeichnet. Diese Aussage hat Regierungssprecher Steffen Seibert bis heute nicht korrigiert.
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